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Auf der Aracanga bin ich von St. Martin in die Dom Rep gesegelt. Während der dreitägigen Überfahrt hab ich ein paar Gedanken gesammelt und versuche, euch mal wieder ein bisschen mitzunehmen.
Beginnen wir bei Crew und Boot. Martin und Riki kennen sich aus der Heimat, sie beide kommen aus Süddeutschland. Martin ist 38 Jahre alt, arbeitet seit vielen Jahren auf Booten (häufig als Skipper) und ist zwischen 2010 und 2013 schon einmal um die Welt gesegelt. Gerade von dieser Zeit hat er viele spannende Geschichten zu erzählen. Nach seiner Weltumsegelung dauert es nicht lange bis es zwischen ihm und Riki funkt. Er kennt die nun 29-jährige schon länger, doch nun wird es ernst und ein paar Jahre später heiraten sie und beschließen, gemeinsam um die Welt zu segeln und starten 2018. Zwei Mal unterbrechen sie die Reise und kommen für 12 Wochen zurück nach Deutschland wo ihre beiden Töchter Kira 2020 und Naia 2022 zur Welt kommen. Seit 2 Jahren sind sie nun in der Karibik und wollen im Sommer Richtung Pazifik.
Doch nun zu unserem gemeinsamen Törn:
Von St. Martin (wir sind auf der französischen Seite gestartet) segelten wir nach wenigen Stunden an Anguilla vorbei. Die Insel, die man von St. Martin gut sehen kann, wirkt unscheinbar, soll aber wunderschön sein!
In der ersten Nacht passieren wir die britischen und amerikanischen Jungferninseln. An Land sehr touristisch und noch teurer als andere Karibikinseln muss es mit dem Segelboot an den Küsten wunderschön sein mit kristallklarem Wasser. Finkbeiners (so heißen Martin, Riki, Kira und Naia mit Nachnamen) haben sich entschieden, dass wir direkt durchfahren. Ich hätte zu einem Zwischenstopp mit Schnorcheln nicht Nein gesagt, aber für meinen knappen Zeitplan in der Dom Rep ist es auch nicht schlecht so. Schon nach ca. 24 Stunden sind wir auf Höhe Puerto Rico und kommen gut voran.
Die Aracanga liegt sehr angenehm im Wasser und das recht milde Wetter tut sein Übriges. Es schaukelt zwar wie immer, aber ist angenehm, auch für die Kids 😊
Ich freue mich, dass ich mit der Aracanga nochmal eine andere Segelerfahrung mache. Das Boot ist wie die Julie Marie zuvor ein Monohull, also mit nur einem Rumpf, aber dafür ist sie deutlich länger: 48 statt 31 Fuß. Wir haben unter Deck also viel Platz und ich habe sogar meine eigene Koje. Außerdem haben wir eine große Segelfläche.
Steuern tun wir die meiste Zeit mit der Windfahne, eine quasi analoge Form des Windpiloten. Bei einem Windpiloten stellst du am Display ein, aus welcher Richtung der Wind kommen soll und dann steuert dieser das Boot dementsprechend.
Die Windfahne ist mit einem extra Ruder analog verbunden. Wir stellen die Windfahne so, dass sie in die Richtung bzw. besser den Winkel zeigt, aus dem der Wind auf unser Boot treffen soll. Dreht der Wind, wird die Windfahne auch gedreht und bewegt das Ruder automatisch so, dass unser Boot wieder genau im eingestellten Winkel zum Wind steht. Sehr praktisch und praktikabel (verbraucht keinen Strom 👍)
Die Schichten hier an Bord teilen wir uns etwas anders auf als auf den vorherigen Booten, wo ich 2,5 oder 3h Schichten hatte. Tagsüber sind wir eh die meiste Zeit im Cockpit und werden von den Kids auf Trab gehalten. Da schauen wir immer, dass eine Person auf Kurs und Umgebung achtet. Und für die Nacht hat sich Martin folgendes überlegt:
Da ich eher die Nachteule und er eher der frühe Vogel ist, mache ich eine 6h-Schicht von 20 – 2 Uhr und er macht von 2 – 8 Uhr. Da Riki sich nachts immer wieder um Naia kümmern muss, hat sie nachts keine feste Schicht, sondern nimmt uns etwas ab wenn es mit den Kids hinhaut. Da Naia aber während der Überfahrt eher unruhig schlief, wurde das nichts – nicht schlimm.
6 Stunden am Stück finde ich schon lang, da ich aber eh selten vor 1 oder 2 Uhr ins Bett gehe, passte mir die Schicht eigentlich ganz gut und ich konnte danach lange am Stück schlafen. Da die Kids morgens eh topfit sind und mit ihren Eltern im Cockpit waren, konnte ich gut bis 9 oder 10 Uhr im Bett bleiben 😊
Überhaupt habe ich großen Respekt davor, wie die beiden das mit den beiden Kids auf dem Boot rocken. Sie sagen zwar selber, dass dadurch einiges liegen bleibt aber davon sieht man nicht viel, denn das Boot ist in einem super Zustand!
Auf einem Boot gibt es keine KiTa oder keine Großeltern in der Nähe, sodass sie die Kids den ganzen Tag haben. Das ist auf der einen Seite natürlich sehr schön, auf der anderen Seite aber natürlich auch anstrengend. Von morgens 6 bis abends 19 Uhr, haben sie die beiden quasi durchgängig im Auge, Naia auch noch nachts. Ab und zu schaffen sie sich aber gegenseitig Freiräume, in dem eine Person beide Kids nimmt. Meistens dann aber damit die andere Person arbeiten kann.
Bei Segelmanövern sitzt Kira im Maxicosi und Naia ist bei Riki umgeschnallt, die das Boot lenkt während Martin Leinen, Anker und Segel händelt. Ein eingespieltes Team und das klappt wirklich gut!
Martin meinte aber auch, dass er schon merkt, dass es deutlich angenehmer ist, jemanden dabei zu haben, vor allem für die Nachtschichten.
Ich verstehe mich sehr gut mit den Kids und habe viel Spaß mit ihnen! Kira war die ersten 5 Minuten scheu, aber seitdem hat sich mich als Spielpartner liebgewonnen. Sie zeigt mir gerne alles was sie so besitzt und worauf sie mächtig stolz ist: ihre Bücher, ihr Fahrrad, ihr Zimmer. Kira kündigt meistens vorher an was sie macht und erzählt danach dann, dass sie es auch getan hat. „Ich gehe jetzt in mein Auto. Ich bin jetzt im Auto.“
Im Hafen konnten wir gar nicht genug Einkaufsladen spielen, unterwegs sind es eher Autofahren und Ausflüge. Wenn ich morgens ins Cockpit komme, dauert es keine Minute bis sie sich auf meinen Schoß setzt und sich von dem Kai-Auto irgendwo hinfahren lassen will. Da das Segelboot für sie normal ist, sind es andere Dinge, die für sie besonders sind: Auto fahren, Schnee, etc.. Eben Dinge, die sie kaum kennt und exotisch findet.
Auch Naia fährt gerne im Kai-Auto auf meinem Schoß. Sie hat gerne etwas in der Hand, sehr gerne zB meine Brille. Was auch immer sie in der Hand hat, reicht sie dir gerne rüber, aber nur um es 5 Sekunden später wieder vehement zurückzufordern.
So macht echt es echt Spaß mit den beiden, ist aber auch schon anstrengend, da man nie so richtig Ruhe hat auf dem Boot. (klar kann ich mich in meine Koje verziehen, aber das mache ich eigentlich nur zum Schlafen, da ich mich ja in den Alltag einbringen will)

Ab Tagesanbruch am dritten Tag bei der Einfahrt in die Bucht von Samana im Nordosten der Dom Rep sind dann alle an Deck: wir halten Ausschau nach Walen! Buckelwale kommen zu dieser Jahreszeit hierher, um ihre Jungen zur Welt zu bringen und mehrere andere Segelboote, die wir kennen, haben die Wale aus nächster Nähe sehen können. Doch so sehr wir uns auch anstrengen, wir haben leider kein Glück, nur Riki & Martin sehen einmal zwei Wale am Horizont springen. Schon schade und alle sind ein bisschen enttäuscht, aber irgendwie finde ich es auch gut zu sehen, dass man die Natur nicht zwingen kann und dass sich die Wale nicht einfach bestellen lassen.
Nach 3 Tagen entspannter Überfahrt kommen wir in der Dom Rep an und endlich habe ich es geschafft: Getrampt von Deutschland bis nach Lateinamerika! Hier wollte ich hin!
Die ersten Eindrücke an Land sind genial. Alle sprechen Spanisch, es gibt total viel frische Früchte, die Empanada, die ich direkt probiere schmeckt super und auch die Preise sind deutlich bezahlbarer als auf den anderen Inseln. Doch mehr zur Dom Rep folgt bald in einem extra Beitrag. Wird spannend 😉
Zwei Dinge möchte ich noch mit euch teilen:
1. Bei Riki & Martin waren häufig abends Freund*innen auf dem Boot. Die geselligen Runden mochte ich sehr gerne. Zu diesen Freund*innen gehören Alex und Karin, die seit letztem Jahr auf ihrem gemeinsamen Boot Mabul in der Karibik unterwegs. Ein super liebes Pärchen, mit denen ich mich gut verstanden habe. Die beiden haben zusammen einen Podcast mit dem Namen Boatcast Mabul, bei dem ich zu Gast sein durfte und über Boots-Trampen & meine Arbeit bei Sea-Eye geredet habe. Unter dem Namen findet ihr den Podcast auf jeder gängigen Plattform, hier auch ein Link: https://podcasts.apple.com/ch/podcast/boatcast-mabul/id1643712757?i=1000603679532
2. Martin hat ein Buch geschrieben, dass ich auf der Überfahrt verschlungen habe und sehr empfehlen kann. Das Buch heißt „Elmo und das geraubte Blau – eine Entführung, eine Seefahrt und ein sterbender Ozean“ und ist als Jugendbuch geschrieben. Ich finde es aber auch sehr geeignet für Erwachsene. Elmo ist nicht nur eine spannende Geschichte voller wunderbarer Einfälle, Begegnungen und Fabelwesen, sondern spricht viele relevante Themen unserer Gesellschaft wie Klimawandel, Artensterben und Migration an. Dies schafft Martin ohne Fingerzeig oder Anklage, er bildet die Probleme einfach anschaulich ab. Das Buch könnt ihr hier finden und bestellen: http://www.ahoi.blog/elmo
An dieser Stelle bleibt mir nur ein Riesen Dank an Martin, Riki, Kira und Naia! Es war mir eine Ehre und große Freude und ich bin schon gespannt auf unser Wiedersehen! Wir hoffen, dass das in Chile sein wird.