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„Dylan ist hier!“ Als wir auf Martinique ankamen, wurde ich überflutet von Informationen. Klar: 16 Tage lang auf dem Atlantik kam der einzige Input von 6 Mitsegler*innen (abgesehen vom täglichen Wetterupdate von meinem Kumpel Lennart).
Auf einmal empfange ich Nachrichten aus über 2 Wochen, schaue nach ob Lützerath noch steht (nein…) und werde überflutet von Gedanken und Eindrücken. Doch eine Nachricht bleibt hängen und beschreibt meine Zeit auf Martinique schon sehr gut: „Dylan ist hier!“
Dylan kenne ich bereits aus Gibraltar. Auch er ist über den Atlantik getrampt und ist schon ca. einen Monat auf Martinique, als wir ankommen. Ich habe mit ihm außerdem auf Lanzarote einen Roadtrip gemacht und empfinde ihn als richtigen Freund, obwohl wir uns noch gar nicht lange kennen. Dylan ist seit ca. 8 Jahren auf Reisen. Er war in vielen Ländern, arbeitet immer so lange als Kellner bis er wieder genug Geld für seinen sparsamen Lebensstil hat und lebt dann ca. 1,5 Jahre im Einklang mit sich und der Natur. Von Dylan kann man viel über das Leben lernen. Vlt werde ich auch mal so in mir ruhen, wahrscheinlich aber doch nicht – ich kenne mich ja.

Alte Bekannte und neue Gesichter

Wie Dylan sehe ich viele andere Hitchhiker wieder, die ich während der Reise kennengelernt habe und es ist jedes Mal eine Riesen-Freude! „Wir haben es geschafft!! Zum letzten Mal haben wir uns auf der anderen Seite des Atlantiks gesehen und jetzt sind wir tatsächlich in der Karibik – kaum zu fassen!
Nicht nur andere Tramper treffe ich wieder, sondern auch einige andere Segler*innen, die ich aus den Häfen der Kanaren oder Kap Verden kenne. So habe ich schon nach zwei Tagen das Angebot, nach Kolumbien zu segeln. Auch wenn ich Carlos und Liliana total gerne mag, geht mir das zu schnell und ich lehne dankend ab – was mir nicht leicht fällt, denn viele Hitchhiker suchen lange nach einer Möglichkeit, aufs Festland zu kommen. Gute Entscheidung kann ich mittlerweile sagen! Denn die Zeit auf Martinique war fantastisch. Außerdem hätte ich mich ungern so schnell von Jakob verabschiedet und weiß mittlerweile dass ich lieber erst nach Mexiko und von dort nach Chile reisen möchte und nicht andersrum.
Und ich habe viele neue Gesichter kennengelernt auf Martinique. Die meisten Tramper haben schon von mir gehört und dass ich immer meine Gitarre dabei habe – ein schönes Gefühl, dass von den vielen gemütlichen Gitarren-Abenden offensichtlich sehr positiv erzählt wird! Auch in Martinique habe ich viel Gitarre gespielt und einiges Geld für ein lokales Projekt sammeln können. Genaueres dazu bald in meinem Blogbeitrag zu Straßenmusik. Vor allem habe ich mit der Musik aber viele coole Leute kennengelernt, mit denen ich auch einige Male etwas unternommen habe. Wie viele tolle Begegnungen und Bekanntschaften ich in Martinique gemacht habe, zeigte sich spätestens an meinem letzten Abend.
Ich lud alle, die ich auf der Insel kannte, ein. Zunächst trafen wir uns für die Happy Hour in der Hafen-Bar „L’Annexe“ und später baute ich meinen Verstärker samt Mikrofon auf und wir starteten im Hafen eine kleine Open Stage. Nachdem ich ein paar Lieder zum Besten gegeben hatte, schnappten sich die verschiedensten Menschen die Gitarre, das Mikro oder brachten andere Instrumente ins Spiel und es entwickelte sich eine unvergleichliche Stimmung. Den Abend werde ich mit Sicherheit nicht vergessen und bin dankbar für die vielen tollen Begegnungen und Erlebnisse!

Ankommen im Karibisches Paradies

Doch nochmal von Anfang: Was habe ich auf Martinique erlebt? Alleine das Ankommen war schon ein tolles Erlebnis. Wir erreichten die Insel bei Nacht und beim Aufwachen sahen wir auf einmal eine hügelige, grüne Insel mit paradiesischen Stränden! Jakobs und mein erster Landgang war an einem Strand, wo wir mit einigen Französ*innen picknickten.
Wenn man 16 Tage auf dem Wasser war, dann ist alles ein Erlebnis: das erste Bier, frisches Brot mit Käse und überhaupt die Füße auf festem Grund. Das Wackeln an Bord stört mich nie, doch am Strand entlang zu rennen und sich mal wieder so richtig zu bewegen, war genial! Und da liefen mir gleich Jack und Jill über den Weg, mit denen ich fast den Atlantik überquert hätte – die Segel-Welt ist klein! Vermutlich, weil mich sich einfach nicht weit vom Boot weg bewegt, wenn man schon eins hat 😀
In den folgenden zwei Tagen halfen Jakob und ich Familie Baici, die Beso del Viento aufzuräumen und zu säubern und fanden einen runden Abschluss auf dem Katamaran, der uns all den Weg über den Atlantik getragen hatte. Nach all dem, was wir mit Baicis und Peter erlebt hatten, war ein würdiges Abschiedsgeschenk natürlich ein Teil davon.
Vom Boot ging es für uns direkt in das Hitchhiker-Camp vor Ort, in dem Dylan und ein paar andere schon einiges hergerichtet hatten. Mitten im Dschungel ca. 10 Minuten vom Hafen von Le Marin entfernt konnten wir Zelt und Hängematte aufschlagen und hatten eine Basis für die nächsten zwei Wochen. Zu Beginn waren wir noch eine kleine Runde und mit der Zeit kamen immer mehr Hitchhiker an. Gemeinsam wurde das Camp immer gemütlicher gemacht und aufpoliert. So gibt es in der Mitte ein großes Wohnzimmer, wo Planen gespannt, Stühle, ein Tisch, Regale und eine Kochstelle aufgestellt bzw. improvisiert sind. Da der Ort abgelegen war, kam niemand Fremdes vorbei.
Ich habe noch nie so viele Nächte hintereinander in einer Hängematte geschlafen, doch es war fantastisch. Ich fand es super gemütlich und schlief mitten im Dschungel zwischen zirpenden Grillen und dem Meeresrauschen ein. So wurde die Hängematte eingepackt als ich mit Jakob, Sarina, Clara und Remi einen Roadtrip für drei Tage um die Insel startete. An einem Abend gönnten wir uns ein Airbnb, an den anderen schliefen wir in Hängematten direkt am Strand! Allerdings immer überdacht, denn es regnete jeden Tag mehrmals. Zwar nur kurz, dafür aber unangekündigt und abrupt.
Ich erspare euch die genaue Route und die Namen unserer Ziele – sowohl bei dem Roadtrip als auch der restlichen Zeit, in der Jakob und ich noch einige Ausflüge machten. Es gibt genug Travel-Blogs, die Tipps zu Martinique geben. Falls ihr mal hierher kommt, meldet euch gerne bei mir und ich sende euch personalisierte Tipps!
Jedenfalls haben wir eine mega coole Wanderung durch den Dschungel gemacht und die schönsten Pflanzen gesehen. Wir haben Kokosnüsse zerschlagen, Eidechsen und Vogelspinnen gesehen und waren an unzähligen, paradiesisch schönen Stränden mit kristallklarem Wasser und konnten locker 10 Meter weitschauen. So sah ich beim Schnorcheln unfassbar viele wunderschöne Fische und Korallen in allen Formen und Farben.

Rum, Rum, Rum!

Immer wieder ein Highlight waren die Rum-Distillerien auf Martinique. Jakob und ich haben mit Sarina insgesamt 4 davon besichtigt. Auf Martinique und einigen anderen Karibik-Inseln wurde lange Zeit Zuckerrohr angebaut, um Zucker zu erzeugen und diesen zu exportieren. Meistens oder eigentlich immer durch die Ausbeutung von Sklaven, die die körperlich extrem anstrengende Arbeit verrichteten. Doch zum Kolonialismus und zur Sklaverei schreibe ich bald einen extra Beitrag.
Als die Zuckerrübe in Europa verbreitet wurde und der Bedarf an Zucker aus der Karibik einbrach, disponierten viele um und begannen, in größerem Stil Rum zu destillieren. Und was für einen Rum!
Wir haben natürlich in jeder Destillerie fleißig probiert. Am besten hat mir der Rum von JM im Norden geschmeckt, die spannendste Besichtigung gab es bei Clement inkl. Museum.
Was ich vorher gar nicht wusste ist, dass Zuckerrohr ursprünglich gar nicht in der Karibik und nicht mal in der Nähe vorkommt. Zuckerrohr stammt aus dem asiatischen Raum, vermutlich China. Dort fand es erst den Weg ins Persische Reich und von dort nach Europa. Die Spanier brachten Zuckerrohr dann erst mit der Kolonialisierung nach Zentral- und Südamerika.
Ein weiteres Highlight war der Besuch der Hauptstadt Fort-de-France, in der wir etwas Karneval mitnahmen. Da ich den Hauptkarneval in Martinique leider verpasst habe, konnte ich so eine Woche vorher schon einen guten Eindruck vom Karneval bekommen. Wir sahen sowohl die Wahl einer „Karnevals-Königin“ als auch einige Paraden durch die Stadt. Musik und auch einfach Krach sind wichtige Elemente im Karneval von Martinique. So hatten einige Menschen ihre Autos so frisiert, dass am Auspuff unglaublich laute Explosionen entstanden. Zuerst nervte mich das sehr und auch mit etwas Abstand finde ich das noch merkwürdig, verstehe aber, dass dieser Krach einfach dazugehört und habe gehört, dass die Autos vorher extra überprüft und zugelassen werden.
Insgesamt hatte ich auf Martinique eine tolle Zeit, bin sehr dankbar für die vielen Erlebnisse und habe das Gefühl, einen guten Zeitpunkt für den Absprung Richtung Norden gefunden zu haben. Mit Simon hatte ich eine wunderbare Überfahrt über Guadeloupe nach St. Martin, aber das ist eine andere Geschichte.