Wie bereits in meinem Artikel über unsere Highlights in Zentralamerika angekündigt, möchte ich mich in diesem Artikel ausschließlich mit der Geschichte und Politik Zentralamerikas beschäftigen.
Mir ist bewusst, dass jedes Land in Zentralamerika eine eigene, erzählenswerte Geschichte hat und es viel mehr interessantes gibt, als ich in diesem Artikel für euch zusammengesammelt habe, und als ich in den jeweiligen Ländern war, habe ich mich auch noch mehr im Detail damit auseinandergesetzt.
Doch zum Einen glaube ich, dass es ein bisschen zu viel wäre, wenn ich von jedem dieser Länder einen einzelnen Abriss schreiben würde (ganz ehrlich, das würde doch keiner von euch alles lesen) und zum Anderen gibt es viele Parallelen und Gemeinsamkeiten in den Geschichten und heutigen Realitäten dieser Länder. Denn indigene Völker kannten ebenso wenig die heutigen Grenzen wie die Spanier*innen diese respektierten.
Genau diese Parallelen und Gemeinsamkeiten raus zustellen, das hat mir in der Zeit in Zentralamerika Spaß gemacht und vor allem auch geholfen, das viele Gelernte besser einzuordnen und zu behalten. Der Unabhängigkeitstag 15. September 1821 hat sich zum Beispiel eingebrannt, weil ihn sich die meisten zentralamerikanischen Ländern teilen.
Doch was meine ich eigentlich mit Zentralamerika? Guatemala, Belize, Honduras, El Salvador, Nicaragua, Costa Rica und Panama. Ich möchte hier in diesem Fall Mexiko zumindest für die Geschichte miteinbeziehen, wenn auch in der Regel nur der Süden Mexikos zu Zentralamerika gezählt wird, da das Land und seine Geschichte eng mit den restlichen Ländern verwoben ist.
Die Karibik lasse ich hier bewusst außen vor, nicht weil ich sie nicht als Teil Zentralamerikas sehe, sondern weil ich nur auf einem Bruchteil der Karibik-Inseln war und die Geschichte der Dom Rep und Kubas schon einzeln beleuchtet habe. Und auch Panama und Belize werden nur am Rande auftauchen, da Panama lange Zeit zu Kolumbien gehörte und Belize überhaupt erst seit 40 Jahren ein eigenständiges Land ist, dazu später mehr.
Der Artikel stellt die leider vielfältigen Probleme in lateinamerikanischer Politik heraus, die auch heute noch vorherrschen, das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das allesamt spannende Länder, in denen man sich mit etwas Vorsicht sicher bewegen kann. Die Menschen in Zentralamerika, die ich getroffen habe, waren unfassbar freundlich, lebensfroh, hilfsbereit und wunderbar.
Wenn ich oben von Parallelen schreibe, dann möchte ich diese zuerst in der (Kolonial-)Geschichte herausarbeiten und dann in der Politik seit der Unabhängigkeit.
(Kolonial-)Geschichte
Wenn man in Geschichtsmuseen in Zentralamerika geht, dann bekommt man oft den Eindruck, dass die Geschichte Zentralamerikas mit der Kolonialisation beginnt, denn genau das ist das erste was in den Museen häufig (es gibt Ausnahmen) erwähnt wird. Die vielen Jahrtausende zuvor werden genauso verschwiegen wie die Gräueltaten der Spanier*innen und das viele Leid, das die Indigenen und eingeschleppte Sklaven aus Afrika aushalten mussten. Offensichtlich beginnt die Geschichte von Menschen, Zivilisationen und Städten in Zentralamerika schon viel eher und heute wissen wir, dass vieles was die Spanier*innen über die Indigenen erzählten, nicht der Wahrheit entsprach. Zum Beispiel wurden die indigenen Völker als viel barbarischer und weniger zivilisiert dargestellt, als sie es eigentlich waren, um damit die Unterdrückung und Ausbeutung zu rechtfertigen.
Ein gutes Beispiel für die hochzivilisierten Völker Zentralamerikas sind zweifelsohne die Maya, von denen heute noch ca. 6 Millionen in Südmexiko, Belize, Guatemala, El Salvador und Honduras leben. Sie bauten beeindruckende Tempel, entwickelten eine eigene komplexe Sprache und einen extrem genauen Kalender. In der Mathematik waren sie genauso begabt wie in Kunsthandwerk und Landwirtschaft. Wer weiß ob wir ohne die Maya heute Maisanbau oder Schokolade hätten? Und wer weiß wie weit wir heute in der Wissenschaft wären, wenn nicht vieles von dem beeindruckenden Wissen der Maya verloren gegangen wäre. Daran hatten die Spanier*innen übrigens zwar Anteil, aber die großen Hochkulturen und Städte der Maya gingen schon unter bevor die Spanier*innen jeden Steine und jede Arbeitskraft in Amerika für sich beanspruchten.
Es bleibt ein noch nicht komplett entziffertes Rätsel warum die Maya-Reiche untergingen, doch es verfestigt sich immer mehr eine Vermutung: der Raubbau an der Natur wurde den Maya zum Verhängnis. Für ihre immer größer werdenden Städte brauchten sie viele Rohstoffe. Starke Dürreperioden und andere Umweltereignisse führten dann zu Hungerkrisen und dem Sturz der Maya-Herrscher. Weil diese aber ihr Wissen nicht mit dem Volk geteilt hatten, um sich ihre Position als allwissende Gottheiten zu bewahren, ging viel davon verloren.
Doch vor, neben und nach den Maya gab und gibt es noch viele weitere indigene Völker, die aufzuzählen und näher zu betrachten, mit Sicherheit den Rahme sprengen würde, unter ihnen zum Beispiel die Olmeken, Tolteken, Azteken, Nahua und Kariben. Außerdem entstanden über die Jahrtausende einige Mischvölker, von denen heute vielleicht die Garifuna die bekanntesten sind, die aus den Kariben und westafrikanischen Sklaven entstanden und heute vor allem die Karibikküste von Zentralamerika bewohnen. Die ersten Siedler*innen erreichten Zentralamerika vor mindestens 10.000 Jahren. Vermutet wird, dass diese über Nordamerika einwanderten.
Und auch wenn die zentralamerikanischen Völker teilweise untereinander immer wieder im Krieg waren, steht dies doch in keinem Verhältnis zu dem Leid, das die Spanier*innen brachten, und das all diese Völker traf, wenn auch unterschiedlich stark.
Bei Ankunft der Spanier*innen waren manche von ihnen in großen Zivilisationen organisiert und andere wie z.B. in Nicaragua eher durch viele eigenständige Stämme (mit einem Caciquen als Oberhaupt) charakterisiert. Sie alle hatten gemeinsam, dass sie die Ankunft der Spanier*innen und die daraus resultierenden Folgen nicht einschätzen konnten. Manche verhielten sich den Neuankömmlingen gegenüber direkt feindselig, andere freundeten sich mit diesen an, um dann später hintergangen und unterdrückt zu werden.
Wie schon in den Artikeln zur Dom Rep und Kuba ausgeführt, wurden die Völker zu großen Teilen ermordet, versklavt oder ausgebeutet. Viele fielen eingeschleppten Krankheiten zum Opfer und Spanien versuchte erbarmungslos, möglichst viel an Rohstoffen, Gold, etc. aus den Kolonien auszupressen.
In wenigen Jahrzehnten eroberten die Spanier Zentralamerika sowohl von Panama im Süden als auch von Mexiko im Norden aus. Das Vizekönigreich Neuspanien wird gegründet und bis auf Panama gehören die Gebiete aller heutigen zentralamerikanischen Staaten zu Neuspanien, während Panama zum Vize-Königreich Peru gehört (und später lange zu Kolumbien), weswegen wir Panama hier etwas ausklammern.
Das Vizekönigreich Neuspanien wurde in 4 Verwaltungsbezirke (Real Audiencias) aufgeteilt: Santo Domingo (ab 1511), Mexiko (1527), Guatemala (1543) und Neu-Galicien (1548, auch Guadalajara genannt). Während Santo Domingo zu Beginn für alle eroberten Gebiete zuständig war, änderte sich das mit der Gründung der weiteren Real Audiencias, sodass schließlich Santo Domingo zuständig für die Karibik war. Das Verwaltungsgebiet Mexiko entspricht dem heutigen Zentral-Mexiko, Nord-Mexiko und mehrere heutige US-Bundesstaaten unterstanden Neu-Galicien. Dem Verwaltungsbezirk Guatemala unterstanden die heutigen Guatemala, Belize, Honduras, El Salvador, Nicaragua und Costa Rica, sowie der südmexikanische Staat Chiapas.
Die Verwaltungsbezirke sind deshalb wichtig, weil genau daraus zunächst die neuen Staaten entstanden:
Als erstes Land in Lateinamerika erlangte 1804 Haiti seine Unabhängigkeit. Ein entscheidender Einfluss auf die Unabhängigkeitskriege war die Französische Revolution 1789. Als von 1808 – 1814 Spanien aufgrund der Napoleonischen Kriege de facto von seinen Kolonien abgeschnitten war, weil alle Kräfte in Europa gebraucht wurden, bekamen die Unabhängigkeitsbewegungen den entscheidenden Schub.
In Zentralamerika waren es die Real-Audiencia Mexiko und Neu-Galizien die als erste ihre Unabhängigkeit ausriefen als gemeinsamer Staat Mexiko. Als im September 1810 die spanische Verwaltung der Unabhängigkeitsbewegung um Miguel Hidalgo auf die Schliche kam, sah dieser sich genötigt, in der Nacht vom 15. auf den 16. September 1810 die Unabhängigkeit Mexikos auszurufen, im kleinen Örtchen Dolores in den Bergen. Bis heute feiern die Mexikaner*innen am 15. und 16. September mit dem Grito (Schrei) den Beginn ihrer Unabhängigkeit. Bis sie diese erlangten, sollten allerdings viele Jahre ins Land streichen. Mit Hidalgos Grito begann ein blutiger Unabhängigkeitskrieg, der neben Hidalgo auch die Anführer Ignacio Allende und Juan Aldama und Tausende Aufständische das Leben. Der Unabhängigkeitskrieg endete erst im August 1821.
Die hart erkämpfte und teuer (mit Geld und vor allem Menschenleben) erkaufte Unabhängigkeit Mexikos, war allerdings nicht nur für Mexiko erkämpft. Denn vom Erfolg Mexikos angetrieben, strebte auch die Real-Audiencia Guatemala 1821 seine Unabhängigkeit an, der die Spanier dieses Mal ohne Blutvergießen zustimmten. Am 15. September 1821 (gut zu merken, wegen des Gritos in Mexiko) verkündete die Zentralamerikanische Föderation ihre Unabhängigkeit. Dies ist also der Unabhängigkeitstag von Guatemala, El Salvador, Honduras, Costa Rica und Nicaragua.
Allein Belize blieb bis 1981! Kolonie von England, das erst 1798 in einer Schlacht die Spanier endgültig vertrieben hatten und das Land für sich beanspruchten. Belize wurde übrigens auch im September unabhängig, aber eben erst 1981.
Die Zentralamerikanische Föderation schloss sich nach der Unabhängikeit von Spanien dem neugegründeten Staat Mexiko von Agustin Iturbide an. Doch schnell wurden ihnen klar, dass die Nachteile dieses Zusammenschlusses überwiegten und schon 1823 nach dem Sturz von Iturbide trennte man sich wieder von Mexiko (auch dies ohne Blutvergießen). Nur Chiapas verblieb als neuer Bundesstaat bei Mexiko.
In der Zentralamerikanischen Föderation entstanden schnell zwei Lager, die sich auch in vielen anderen lateinamerikanischen Ländern bildeten: Liberale und Konservative. Während die Konservativen naturgemäß wenig am politischen System rütteln wollten, strebten die Liberalen umgehende Reformen wie die Trennung von Staat und Kirche und Gewaltenteilung.
In den Folgejahren entwickelten sich im sehr föderal aufgebauten Staat innere Machtkämpfe und Bürgerkriege, sodass die Zentralamerikanische Föderation zwischen 1838 und 1841 zerfiel und sich die heutigen Staaten Nicaragua (1838), Honduras (1838), Costa Rica (1838), Guatemala (1839) und El Salvador (1841) gründeten. Bis heute teilen sie sich den Unabhängigkeitstag und die Farben Blau & Weiß in ihren Flaggen. Nur Costa Rica ergänzte in seiner Flagge noch rot, sodass die Flaggen Zentralamerikas schwer auseinanderzuhalten sind. Heute organisieren sie sich übrigens wieder als Zentralamerikanische Integrationssystem (SICA) gemeinsam, wenn auch natürlich als unabhängige Staaten.
Politik nach der Unabhängigkeit
Die Lager, die schon in der Zentralamerikanischen Föderation entstanden, nämlich Liberale und Konservative, prägten auch die Politik nach der Unabhängigkeit. In den verschiedenen Ländern entwickelten sich unterschiedliche Parteien, doch ihre Ideen waren orientiert an den konservativen, bzw. liberalen Ideen und in vielen Ländern prägte diese Dualität bis tief ins 20. Jahrhundert das politische System, wie z.B. in Honduras oder Nicaragua. Die allermeisten politischen Konflikte in Zentralamerika nach 1821 lassen sich auf den Clinch zwischen Konservativen und Liberalen zurückführen.
Doch was war der Clinch genau? Im Endeffekt ging es um die Ausgestaltung der politischen Realität der neugegründeten Staaten und da konnten die Meinungen der beiden Lager kaum weiter auseinandergehen: Die Konservativen auf der einen Seite befürworteten es, die Macht in der Hand einiger weniger (Elite) zu belassen und dieser möglichst zentralisierten Elite den Zugriff auf alle Gewalten zuzugestehen. Die Privilegien von Kirche, Militär und Grundbesitzern sollten unangetastet bleiben und keine andere Religion neben Katholizismus zugelassen sein.
Die Liberalen setzten sich dagegen für eine klare Gewaltenteilung und die Trennung von Staat und Kirche ein. Religionsfreiheit gehörte für sie ebenso zum Programm wie freie Meinungsäußerung, Zivilehe und kostenlose, staatliche Bildung. Sie wollten außerdem die Föderalisierung vorantreiben.
Interessanterweise etablierten sich viele liberale Ideen im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts, während Konservative deutlich mehr regierten. Doch wie kommt das?
Das zeigt in meinen Augen zum Einen, dass viele liberale Ideen von der Bevölkerung getragen wurden und sich die konservativen Regierungen diesen beugen mussten, um an der Macht zu bleiben. Doch warum wurden dann nicht Liberale gewählt, von denen diese Ideen kamen? Die Hintergründe dafür gehen deutlich weiter und haben vor allem mit der Nähe der Konservativen zur mächtigen Elite zu tun. So kam den Konservativen der Einfluss der Elite zu Gute, um an der Macht zu bleiben. Finanzierte Wahlkampagnen, Stimmenkauf bis hin zu Fake-Wahlen waren in quasi allen Ländern Zentralamerikas Gang und Gäbe. Und wenn das nicht reichte, konnten auch mal Gewalt oder Diktatur der letzte Ausweg sein. Politisch motivierte Morde fanden meistens gegen liberale Politiker statt.
Und häufig mischten sich auch die USA ein, die bei liberalen Regierungen schnell Angst hatten, dass diese in den Sozialismus „abrutschen“ würden. Wie bspw. 1954 in Guatemala wo sie nach 10 Jahren der demokratischen und liberalen Reformen halfen, den Präsidenten Arbenz zu stürzen und Diktator Carlos Castillo Armas installierten.
Während die Konservativen vor allem Beziehungen zur kommerziellen Elite, Grundbesitzer*innen und anderen Reichen pflegten, waren die Liberalen von der Idee eher nah an den „normalen“ Bürger*innen. Doch das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die liberalen Teil der Elite waren und ihre Macht auch häufig dazu nutzten, ihre Besitze zu vermehren. Korruption war schon damals eins der zentralen Probleme in der Politik und das ist es auch heute noch.
Manifestierung der Ungleichheit
Die bestehenden Besitzverhältnisse aus der Kolonialzeit wurde also in der Regel von der politischen Elite verteidigt.
So befanden sich zum Beispiel in El Salvador um das Jahr 1900 90 % der Güter des Landes in den Händen von 0,01 % der Bevölkerung. Der Großteil der Bauern war landlos und lebte in äußerster Armut. In Nicaragua nutzte insbesondere die Sogamozo-Familie während ihrer langen Familien-Diktatur mehrere Katastrophen, um ihre Besitztümer zu vermehren – ein verbreitetes Muster in Zentralamerika. So organisierten sie den Wiederaufbau nach einem Erdbeben 1931 und einem Großbrand in Managua 1936 so, dass sie ihren Grundbesitz beträchtlich vermehren konnten. Nach einem weiteren starken Erdbeben 1972 sackten sie einen Großteil der Hilfsgelder ein und verkauften sogar geschenkte Hilfsgüter, um ihr Vermögen zu vergrößern. Noch heute sind Teile der Innenstadt und die Kathedrale nicht wieder aufgebaut, wozu ein Teil der Hilfsgelder bestimmt war.
Hinzu kommt, dass es zahlreiche Versuche gab, Maßnahmen zu verhindern, die die Ungleichheit reduzieren sollten. Als in El Salvador 1983 durch Artikel 105 das Landeigentum auf 245 ha beschränkt wurde, versuchten Teile der Großgrundbesitzer die Reform durch Todesschwadronen zu verhindern. Prominentestes Opfer war der Erzbischof Óscar Romero.
Es dauerte lange bis „normale“ Bürger*innen eine politisch erfolgreiche Laufbahn möglich war. Und was passieren konnte, wenn sie es versuchten, zeigt das Beispiel von Jorge Gaitan in Kolumbien, aber dazu bald mehr im Rahmen der Geschichte und Politik Kolumbiens. Noch heute haben Reiche in den zentralamerikanischen Ländern deutlich bessere Chancen ein hohes Amt zu belegen.
Überhaupt dauerte es bis lange nach der Unabhängigkeit bis es in Zentralamerika zum ersten Mal demokratische Wahlen gab: in Guatemala z.B. 1944.
Das 19. und auch 20. Jahrhundert waren geprägt von Oligarchien (Herrschaft von Wenigen), Diktaturen und Militärputschen. Regierungswechsel waren Gang und Gäbe. Den Vogel schießt eindeutig Honduras ab: von 1821 bis 1876 wechselten sich 85 Regierungen ab, in den ersten 150 Jahren des Staates Honduras gab es 125 Militärputsche. Bis heute haftet insbesondere Honduras das Image als „Bananenrepublik“ an, dabei lief es in den meisten Nachbarländern nicht viel besser, nur waren die Regierungswechsel nicht ganz so häufig.
Diktatoren (häufig konservativ aber auch liberal)
Diktaturen waren also neben Oligarchien die gängige Regierungsform in den instabilen Ländern Lateinamerikas. An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Instabilität keineswegs ein Ausdruck von Unfähigkeit der Zentralamerikaner war. Vielmehr lässt sich das unmittelbar auf die lange Herrschaft Spaniens zurückführen, die auf dem Kontinent eine Verwüstung gerade auch in politischer Hinsicht hinterließ. Über Jahrhunderte wurden die Menschen Zentralamerikas unterdrückt – ohne jegliche Möglichkeit der Selbstbestimmung. Und die Menschen, die schließlich die Unabhängigkeit erkämpften waren in der Regel ja gar keine Indigenen, denen das Land vor Ankunft der Spanier gehörte, sondern Nachkommen der Spanier oder hatten gemischte Vorfahren. Diese Situation machte es besonders schwer, eine gemeinsame nationale Identität zu entwickeln und bis heute drehen sich viele politische Kämpfe genau darum.
Die Vielzahl der Diktatoren macht es unmöglich bzw. langweilig, hier alle aufzuzählen, doch einige wenige seien hier kurz erwähnt.
Der Konservative José Rafael Carrera y Turcios beispielsweise wurde in Guatemala kurz nach der Abspaltung von der Zentralamerikanischen Föderation populär, weil er sich erfolgreich gegen Konföderierte wehrte. 1944 wurde er im Alter von 30 Jahren Präsident von Guatemala und nutzte seine Popularität und engen Kontakte zum Militär, um seine Macht auszubauen. 1954 erklärte er sich selbst zum Präsident auf Lebenszeit in Guatemala und prägte damit wesentlich das Verständnis konservativer Machthaber in Zentralamerika. Generell lässt sich festhalten, dass die Eliten der zentralamerikanischen Ländern auch nach der Spaltung in Kontakt blieben und sich die verschiedenen politischen Prozesse stark gegenseitig beeinflussten. Die meisten politischen Konflikte der letzten beiden Jahrhunderte in Zentralamerika waren innerhalb der Staaten und kaum zwischen ihnen.
1865 gab Carrera das Präsidentenamt an Vicente Cerna ab, 6 Jahre später folgte ein Militärputsch durch Liberale und Justo Rufino Barrios kam an die Macht. Er trieb viele Reformen voran wie Presse- und Religionsfreiheit und die Verstaatlichung von Kirchenbesitz. Außerdem bekam Guatemala eine Verfassung. Doch eben auch die Liberalen hatten viele diktatorische Züge. Barrios träumte von der Wiedervereinigung der Zentralamerikanischen Föderation und nachdem Verhandlungen nicht vorangingen, erklärte er kurzum die Föderation für wiederhergestellt und sich selber zum Oberbefehlshaber. Weniger später starb er in kriegerischen Auseinandersetzungen mit El Salvador, die die selbst-erklärte Föderation nicht anerkannten.
Mit Jorge Ubico gab es in Guatemala einen weiteren liberalen Diktator. Ubico kam 1931 durch vermutlich gefälschte Wahlen an die Macht und entwickelte sich schnell zum Diktator, der Intellektuelle, Journalisten und Schriftsteller verfolgte, die seine Regierung kritisierten.
In El Salvador ist insbesondere der Diktator Maximiliano Hernandez Martinez hervorzuheben, der als Verteidigungsminister 1930 einen Militärputsch nutzte, um an die Macht zu kommen. Hier zeigt sich wieder die enorme Macht, die das Militär und seine Verbündeten insbesondere im 19. Jahrhundert und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten.
Auch in Costa Rica, das insgesamt eher ein positives Beispiel für eine stabile Demokratie in Zentralamerika ist, gab es einige gewaltvolle Phasen. Von 1917 bis 1919 gab es eine Militärdiktatur unter Federico Alberto Tinoco Granados, die von den USA nicht anerkannt, aber von der mächtigen United Fruit Company unterstützt wurde. Die enorme Macht der United Fruit Company und anderer Unternehmen wie Chiquita und ihre enorme Einflussnahme auf die Politik sind bei Zeiten einen eigenen Blogartikel wert.
Weitere „namhafte“ Diktatoren waren: Anastasio Somoza Debayle und der heutige Diktator Daniel Ortega in Nicaragua. Tiburcio Carías Andino und Juan Manuel Gálvez in Honduras, die sich als Handlanger der United Fruit Company betätigten. Manuel Noriega, der Panama nach dem mysteriösen Tod Omar Torrijos 1981 mit der Hilfe des Militärs regierte.
Bürgerkriege
In den letzten zwei Jahrhunderten gab es in Zentralamerika viele Bürgerkriege, die meisten entstanden aus dem Konflikt zwischen Liberalen und Konservativen, der hier nun schon mehrmals Thema war. Die Differenzen waren seit Beginn der Unabhängigkeit so groß, dass die unterlegene Partei häufig kein anderes Mittel sah, als zu den Waffen zu greifen, und andersrum die Regierungen oft zu den Waffen griffen und das Militär miteinbezogen, um die Gegenseite und die Bevölkerung unter Kontrolle zu halten. Auch bei den Bürgerkriegen sehe ich von einer vollständigen Übersicht ab und gebe nur einige Beispiele, die Motive und Verhaltensweisen der verschiedenen Parteien gut darstellen.
In Nicaragua begann bereits 1856 ein erster Bürgerkrieg, bei dem die Liberalen den amerikanischen Abenteurer William Walker zu Hilfe riefen, der mit einer kleinen Privatarmee intervenierte und den Liberalen einen Vorteil verschaffte, doch zu einem hohen Preis: Walker strebte nicht nur die Macht in Nicaragua sondern in ganz Zentralamerika an. Nur die vereinten Kräfte der zentralamerikanischen Staaten konnte Walker stoppen, der später noch zwei weitere Eroberungsversuche unternahm und 1860 in Honduras hingerichtet wurde.
In Costa Rica gab es 1948 nach gewaltvollen Wahlen und Wahlbetrug einen sechswöchigen Bürgerkrieg mit etwa 2000 Toten. 1949 gab es einen Friedensvertrag und kurze Zeit später schaffte Costa Rica sein Militär ab.
In Guatemala begann 1960 ein blutiger Bürgerkrieg, der bis 1996 andauerte. Nach dem der liberale Präsident Jacobo Árbenz Guzmán 1954 von konservativen Kräften gewaltvoll gestürzt worden war, folgte eine konservative Militärdiktatur nach der nächsten, die alle liberalen Reformen (wie z.B. die teilweise Enteignung der United Fruit Company) rückgängig machten. Die unterdrückten Liberalen sahen 1960 keine andere Möglichkeit, als in den bewaffneten Widerstand zu gehen, der insbesondere von den indigenen Regionen des Landes ausging. Das Militär reagierte mit aller Härte und bombardierte einige Male seine eigene Bevölkerung. Es wurden paramilitärische Gruppen gegründet und insbesondere unter General Efraín Ríos Montt entwickelte sich die Bekämpfung der Aufständischen zum Genozid gegen insbesondere Indigene. Der Krieg kostete mindestens 200.000 Guatemalteken das Leben und machte über 1 Millionen zu Geflüchteten. Laut der Kommission für historische Aufklärung lassen sich für 93% der Toten Regierungstruppen und verbündete Paramilitärs verantwortlich machen, während den Guerilla-Bewegungen 3% zugeordnet werden.
Auch in El Salvador führten die starken Repressionen durch eine konservative Militärdiktatur 1980 zu einem Bürgerkrieg, der bis 1991 andauerte. Die bewaffneten Guerilla-Truppen schlossen sich unter dem Namen FMLN zusammen und kämpften gegen Regierung und Paramilitärs. 1 – 2 Millionen verließen El Salvador, viele von ihnen Richtung USA.
Von den mind. 75.000 Todesopfern werden 85 % Militär und regierungsfreundlichen Todesschwadronen zugeschrieben und lediglich 5% lassen sich auf die FMLN-Guerillas zurückführen. Der Bürgerkrieg endete 1992 mit dem Friedensvertrag von Chapultepec und die FMLN wurde zu einer Partei formiert, die 2009 und 2014 zwei Mal die Präsidentschaftswahlen in El Salvador gewinnen konnte.
Banden und Drogenmafia als Fortsetzung der Gewalt
In den letzten Jahren fand die Gewalt der ideologischen Auseinandersetzungen ihre Fortsetzung in der Ausbreitung von den Banden (in einigen Ländern Maras genannt) und Drogenmafia. Wie in Mexiko, wo die Drogenkriminalität in den letzten 50 Jahren zum Hauptproblem wurde, entwickelten sich auch in Zentralamerika viele verfeindete Banden, die mit viel Gewalt um die Macht auf dem Drogenmarkt, aber auch gegen die Regierungen um die Macht kämpfen.
Insbesondere in El Salvador eskalierte diese Situation, sodass ich in diesem Fall El Salvador als Beispiel anführen möchte.
Nach dem Bürgerkrieg und Friedensabkommen von 1992 waren viele der ehemaligen Guerillas und Paramilitärs arbeitslos und schnell fanden sie das Drogengeschäft als Nische, in der ihre „Fähigkeiten“ und Vorgehensweisen hilfreich waren. Zu diesem Zeitpunkt waren in El Salvador mind. 1 Millionen Waffen im Umlauf. Hinzu kamen viele rückgeführte Salvadorianer*innen, die in den USA „gescheitert“ waren und so in ihrem Herkunftsland keine Heimat mehr vorfanden. Eben diese Heimat gaben ihnen die Maras, sodass die grausam agierenden Banden schnell Zustrom fanden. Aus einigen Berichten vor Ort habe ich gehört, dass Aufnahmerituale in die Maras häufig darin bestanden, dass das neue Mitglied in einem Kreis stand und von den Anwesenden verprügelt wurde. In anderen Banden musste man mindestens eine Person ermorden, um zur Bande zu gehören.
So eskalierte die Gewalt in El Salvador bis sie 2015 ihren (statistischen) Höhepunkt fand, als die Mordrate in El Salvador auf über 100 Morde pro 100.000 Einwohner*innen stieg. Zwar nahm sie in den folgenden Jahren wieder etwas ab, aber die Lage blieb außer Kontrolle. Einige Salvadorianer*innen haben mir von der Zeit erzählt: Millionen von ihnen mussten Schutzgelder an die jeweilige Mara zahlen (es gab verschiedene Banden, die verschiedene Teile des Landes kontrollierten). Schutzgeld bedeutete hier aber weniger, dass die Maras einen vor anderen schützten, sondern eher, dass sie einen nicht umbrachten. Ein Taxifahrer erzählte mir zB, dass er 10 Dollar pro Woche zahlen musste, was für ihn ein Haufen Geld ist. Andere erzählten, dass es ausreichen konnte in einer anderen Stadt angetroffen zu werden, damit einen die Bande vor Ort umbrachte, weil man nicht von dort stammte.
2019 wurde Nayib Bukele in El Salvador zum Präsidenten gewählt. Er hatte im Wahlkampf einen rigorosen Kampf gegen die Bandenkriminaliät angekündigt. Er hatte der Bevölkerung aber verschwiegen, dass er bereits Abkommen mit den Maras hatte, dass er sie in Ruhe ließe, wenn sie sich unauffälliger und weniger mörderisch verhielten. Solche Abkommen hatten schon andere Präsidenten vor ihm versucht und auch Bukeles Versuch reduzierte die Gewalt nur eine Zeit lang. Nach einem sehr blutigen Wochenende mit über 80 Toten im März 2022 vollzog Bukele eine 180°-Wende und sagte den Maras den Krieg an. Er ließ das Parlament den Ausnahmezustand verhängen, den er erst beenden will, wenn alle Mitglideder der Maras im Gefängnis sind. Die Bedingungen in den Gefängnissen verschärfte er und ließ Tausende Menschen, die mit den Maras auch nur in Verbindung gebracht wurden, einbuchten. So erzählte man mir zum Beispiel, dass es reichte ein falsches Tattoo zu haben, das Erkennungsmerkmal einer Bande sei, um ohne Prozess ins Gefängnis gesteckt zu werden. Menschenrechtsorganisationen kritisieren Bukeles Vorgehen und schätzen, dass mind. 3000 unschuldige Menschen in Haft sitzen. Und die Bedingungen sind herabwürdigend. Bukele versprach mehrfach, dass die Bandenmitglieder in ihrem Leben „das Tagewslicht nicht mehr sehen“ werden und die Bilder, die er aus den Gefängnissen bei Social Media postete, gingen um die Welt. Relativ gesehen sitzen in keinem Land so viele Menschen im Gefängnis wie in El Salvador: 1086 pro 100.000 Einwohner*innen.
Doch die Mordrate und Kriminalität gingen in El Salvador im letzten Jahr drastisch zurück! Die Schutzgelder durch die Banden fielen weg, Millionen Menschen fühlen sich wieder sicher und sehen, dass auch der Tourismus wieder Einzug in ihr Land hält. International wird das Vorgehen von Bukele stark diskutiert und es kommt zwangsläufig, die schwierige Frage auf, ob der Zweck die Mittel heiligt. Ich möchte mir hier keine persönliche Meinung erlauben, die Bevölkerung beantwortet die Frage allerdings ganz klar: Über 90% befürworten die Maßnahmen und untersützen Bukele. Seine Popularität ist so enorm, dass er sich immer stärker zum autoritären Herrscher entwickeln kann. Wie so viele zentralamerikanische Präsidenten vor ihm findet er Geschmack an der Macht und will versuchen, das Gesetz zu kippen, dass seine Wiederwahl im nächsten Jahr verhindert: In Zentralamerika ist traditionell die Wiederwahl von Präsidenten per Gesetz verboten, ein Umstand, den schon viele Machthaber nicht wahrhaben wollten. Es bleibt spannend zu sehen, wie sich El Salvador in den nächsten Jahren entwickelt und wie die internationalen Reaktionen sind. Denn insbesondere die USA haben viele Interessen in El Salvador und haben sich historisch häufig in Zentralamerika eingemischt, wenn eine Entwicklung ihnen nicht gefiel. Die Entwicklungen des letzten Jahres dürften ihnen aber gefallen, da die Wirtschaft in El Salvador floriert (es gibt sehr viele US-amerikanische Unternehmen in El Salvador) und ein sichereres El Salvador ihnen evtl. ermöglicht mehr Salvadorianer abzuschieben.
Einmischung der USA
Nicht nur in El Salvador ist der Einfluss der USA enorm, sondern eigentlich überall in Zentralamerika gibt es viele US-amerikanische Firmen, wie z.B. Bergbauunternehmen, die sich in den letzten zwei Jahrhunderten seit der Unabhängigkeit stark breitgemacht haben, sodass in Honduras beispielsweise zu Teilen von einer kolonie-ähnlichen Abhängigkeit gesprochen wurde. Häufig wurden die nordamerikanischen Unternehmen durch großzügige Konzessionen angelockt und die US-Regierung sorgte dafür, dass die jeweiligen Machthaber von den Gewinnen der US-Konzerne profitierten oder aber anderweitige Unterstützung der USA bekamen.
So mischten sich die USA überall ein wo sie konnten und prägten den Verlauf der Geschichte in Zentralamerika entscheidend und zu ihren Gunsten mit.
Dabei ließen sie sich keine Möglichkeit entgehen, auch militärisch in den Ländern einzugreifen, wenn dies international einigermaßen zu rechtfertigen war.
In Nicaragua retteten die US-Marines 1912 beispielsweise die konservative Regierung von Diaz vor den aufständischen Liberalen. Nur ein Jahr zuvor hatte Diaz Kredite in Millionenhöhe bei US-amerikanischen Banken aufgenommen und den USA zur Sicherheit die direkte Kontrolle über die Zoll-Einnahmen Nicaraguas gegeben. Die Marines blieben bis 1933 im Land und unterstützten die konservativen Regierungen gegen liberale Rebellen bis 1933 ein Friedensvertrag zwischen der Regierung und dem liberalen Anführer Augusto Cesar Sandino geschlossen wurde, der den Marines in den Jahren zuvor einige empfindliche Niederlagen verpasst hatte. Sandino und seine Leute legten die Waffen nieder, dafür verließen die USA Nicaragua (nicht ohne vorher die Nationalgarde auzubilden). Sandino und seine Generäle wurden kurze Zeit später hinterhältig ermordet und die Somoza-Familie (enge Vertraute) konnten ihre Familien-Diktatur errichten.
Erst 1979 wurde die Somoza-Herrschaft beendet und die liberale Bewegung „Frente Sandinista de Liberación Nacional“ (FSLN) kam an die Macht, die eine neue Verfassung schuf und deren sozialistisches Programm zunächst gut bei der Bevölkerung ankam. Doch das Eingreifen der USA ließ nicht lange warten, die spätestens seit der Truman-Doktrin im Kalten Krieg versuchten, jede auch nur sozialistisch scheinende Regierung zu stürzen, um den Einfluss Russlands einzuschränken. Mit illegalen Waffenverkäufen an den Iran erwirtschafteten die USA Geld, das sie unter Hand den sogenannten Contras in Nicaragua zukommen ließen, die gegen die sozialistische Regierung kämpfte – die sogenannte Iran-Contras-Affäre, an die sich die älteren Leser*innen hier vielleicht noch erinnern. Und der Plan ging auf, die geschaffene Instabilität (auch bedingt durch ein US-Embargo) sorgte dafür, dass die FSLN die Präsidentschaftswahlen 1990 verloren. Im Nachgang zur Iran-Contras-Affäre wurden übrigens die USA vom Internationalen Gerichtshof zu einer Geldstrafe von 2,4 Milliarden Dollar verurteilt, die die USA bis heute nicht gezahlt haben.
Ein weiteres prominentes Beispiel für die Einmischung der USA ist die Mission PBSUCCESS in Guatemala. Der Sturz des oben erwähnten guatemaltekischen Präsidenten Arbenz, dessen liberale Reformen unter anderem US-Unternehmen zum Nachteil wurde, wurde wesentlich von den USA mit eingefädelt. Dafür stationierten sie Soldat*innen sowohl in Honduras als auch in Nicaragua , die ihr Territorium bereitwillig zur Verfügung stellten und unterstützten von dort aus den Militärputsch des späteren Diktators Carlos Castillo Armas. Mehrere unkenntlich gemachte Flugzeuge, die 1954 Guatemala-Stadt bombardierten, wurden im Nachhinein zweifelsfrei als US-Flugzeuge identifiziert. Auch die United Fruit Company hatte bei dem Krieg gegen die liberalen Reformen wohl ihre Finger im Spiel, da sie von diesen eingeschränkt wurden, doch im Nachhinein veröffentlichte Dokumente der CIA lassen den Einfluss der UFC doch eher gering erscheinen. Doch dazu beizeiten mehr in einem Blogartikel über die UFC, Chiquita und Co.
Ein letztes von vielen weiteren Beispielen für die militärischen Interventionen der USA in Zentralamerika und daraus resultierenden wirtschaftlichen Interessen ist der Panama-Kanal. Als die USA Anfang des 20. Jahrhunderts den von Frankreich brachliegenden Bau des Kanals weiterführen wollten, stimmte Kolumbien, zu dem Panama damals gehörte, dem nicht zu. Die USA schickten kurzerhand ihr Militär nach Panama und unterstützten Panama in seiner Unabhängigkeit. Dabei sicherten sie sich gleich die gesamten Rechte und Gewinne am Kanal, die sie erst zum Jahr 2000! abgaben. Mehr dazu findest du in meinem Beitrag über Panama.
Kurzer Side Fact für die deutschen Leser*innen: 1878 gab es eine deutsche Militärintervention in Nicaragua nach einem Übergriff auf den deutschen Konsul in León, die sogenannte Eisenstuck–Affäre. Dabei ging es allerdings nicht um wirtschaftliche Interessen oder langfristigen Einfluss in Zentralamerika, sondern um eine Familienfehde.
Konflikte zwischen den Ländern und Zusammenschluss gegen Walker
Die meisten (kriegerischen) Konflikte seit dem friedlichen Zerfall der zentralamerikanischen Föderation waren innerhalb der jeweiligen Staaten, doch es gibt auch einzelne Beispiele für Kriege zwischen den Staaten – meistens ging es um die Auslegung der Grenzen und Interessen im Grenzgebiet.
1863 schloss sich Guatemala in einem Grenzkonflikt mit Costa Rica zusammen, nachdem es im Krieg mit El Salvador eine empfindliche Niederlage erlitten hatte. El Salvador holte sich Unterstützung von Nicaragua und Honduras, doch konnte das Einmarschieren von guatemaltekischen Truppen in der Hauptstadt San Salvador nicht verhindern. Guatemala verstärkte seine damalige Vormachtstellung in Zentralamerika, doch hielt San Salvador nur für kurze Zeit.
Im Februar 1921 eskalierte ein Streit zwischen Costa Rica und Panama, in dem costa-ricanische Truppen den Ort Coto von Panama einnahmen, dessen Zugehörigkeit seit der Unabhängigkeit nicht geklärt war. Da Panama zu dem Zeitpunkt keine Armee besaß, wurden Polizist*innen eingesetzt, um die Invasoren zurückzudrängen. Nach einigen kleineren Kämpfen mit Todesopfern beendeten die USA den „Guerra de Coto“ genannten Krieg durch das Erscheinen des Schlachtschiffs USS Pennsylvania. Diese sogenannte Kanonenbootpolitik war vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts populär: durch das Auftreten von einem oder mehreren Kanonenbooten und damit einhergehenden Drohungen, demonstrierten überlegene Staaten wie die USA ihre Macht und in der Regel wurden Konflikte so beendet bevor die Kanonenboote tatsächlich zum Einsatz kamen. So beendete Deutschland übrigens auch die oben erwähnte „Eisenstruck-Affäre“. Costa Rica meldete in dem kurzen Coto-Krieg 31 tote Soldat*innen und ein ziviles Opfer, Panama meldete nur Verletzte.
1969 kam es zum „100-Stunden-Krieg“ zwischen El Salvador und Honduras, dieses Mal kein Grenzkonflikt, sondern es ging um ca. 300.000 Kleinbauern, die aus El Salvador nach Honduras emigriert waren und der honduranischen Regierung mehr und mehr ein Dorn im Auge war. 1969 gab Honduras den Migranten 30 Tage Zeit zur Ausreise. El Salvador protestierte, vor allem auch weil das kleine Land deutlich dichter besiedelt ist als Honduras. Auf honduranischer Seite bildete sich die paramilitärische Terrorgruppe „Mancha Brava“, die vermehrt Jagd auf Salvadorianer machte. Nach einem WM-Qualifikationsspiel zwischen den beiden Ländern in Mexiko-Stadt kam es zu Ausschreitungen mit mehreren Todesopfern, in deren Folge der Krieg ausbrach, der auch „Fußballkrieg“ genannt wird. Die salvadorianischen Truppen drangen schnell weit nach Honduras vor. Doch die sich abzeichnende Niederlage von Honduras wurde durch die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) verhindert, die in den Krieg eingriffen und El Salvador als Aggressor ausgemacht hatten. Das salvadorianische Militär wurde zum Rückzug gezwungen ohne dass ihre wichigste Forderung, die Einstellung der Verfolgung von Salvadorianern, erfüllt worden wäre. In den folgenden Jahren kehrten Zehntausende Salvadorianer in ihr Heimatland zurück.
Unterdrückung und Tötung von Indigenen
Nicht nur hatten die indigenen in Zentralamerika es schwer, da sie in der Kolonialzeit von den Spaniern beinahe ausgerottet wurden und ihre Identität (Städte, Tempel, Kulturstätten) zu Teilen zerstört wurde, auch nach der Unabhängigkeit von Spanien wurden die indigenen, die in der klaren Unterzahl waren, als solche Minderheit immer wieder unterdrückt und bekämpft. Der Ablauf war häufig ähnlich, wenngleich natürlich nicht identisch: die Landbevölkerung und insbesondere Indigenen wurden in der Politik kaum berücksichtigt (noch heute ist die Politik in Zentralamerika extrem Stadt-fokussiert). Als die Zustände unerträglich wurden, begehrten die Indigenen auf und ihre Aufstände wurden niedergeschlagen. Der Aufstand wurde dann im Nachhinein von Regierung und Militär instrumentalisiert, um die weitere Verfolgung und Ermordung von Indigenen zu rechtfertigen.
1881 zum Beispiel zwang in Nicaragua eine Agrarreform zur Privatisierung viele Indigene in die Zwangsarbeit, sodass sie sich mit einem Aufstand von Matagalpa aus wehrten, der von der konservativen Regierung brutal niedergeschlagen wurde.
Unter dem oben erwähnten konservativen Diktator Maximiliano Hernandez Martinez gab es 1932 eine blutige Niederschlagung des Aufstandes der indigenen Pibil, was das Ende der indigenen Kulturen in El Salvador markierte! Die Pibil wurden durch das Militär ausgelöscht und es wurde berichtet, dass Menschen einzig und allein wegen Sprache oder Kleidung umgebracht wurden.
In Honduras war der Kampf gegen die Indigenen nicht so offen, doch insbesondere dem Bataillon 316 wurden während der konservativen Diktatur schwere Menschenrechtsverletzungen, Folter und Ermordung gegenüber Hunderten Honduranern vorgeworfen. Das Bataillon wurde unter anderem von der CIA ausgebildet.
Doch nicht nur konservative Kräfte unterdrückten die Indigenen. Die Sandinisten, die 1979 durch die Revolution in Nicaragua an die Macht kamen, etablierten Folter, Verschwindenlassen und Massenhinrichtungen an Miskito-Indigenen. Außerdem wurde ein allgemeines Zwangsarbeitssystem für die indigene Bevölkerung in Kraft gesetzt.
Heutige Situation
Zum Abschluss möchte ich noch kurz einen Überblick über die aktuelle politische Lage in Zentralamerika geben.
Nicht nur El Salvador driftet unter Nayib Bukele immer weiter Richtung Autokratie/Diktatur ab, sondern auch in Guatemala lässt sich in den letzten Wahlperioden eine solche Entwicklung hin zu rechtem Autoritarismus beobachten. Spannend wird zu sehen sein, wie sich Guatemala unter dem neuen, linken Präsidenten Bernardo Arévalo entwickelt. Arévalo hatte sich überraschend im August in der Stichwahl durchgesetzt, er ist der Sohn des bekannten Ex-Präsidenten Juan José Arévalo, der 1945 der erste demokratisch gewählte und liberale Präsident Guatemalas war. Gleichzeitig wurde von der Justiz vor kurzem seine Partei „Semilla“ suspendiert. Wenn dies bis zum Amtsantritt im Januar so bleibt, hat Arévalo keine Fraktion hinter sich. Hinter der Suspendierung wird die derzeit regierende, konservative, politische Elite vermutet, die als „Pakt der Korruption“ bekannt ist und einen Großteil der Justiz infiltriert hat.
Gleichzeitig zeigt sich in Guatemala stark die Tendenz in Zentralamerika, dass das ursprüngliche Zwei-Parteien-System mit Konservativen und Liberalen passé ist. In Guatemala gibt es aktuell 18 Parteien im Parlament.
Honduras ist Stand 2023 so stark von Banden und ihrer Gewalt geprägt, dass das Ausmaß teilweise als kriegsähnlich beschrieben wird. Insbesondere deswegen gehört Honduras zu den Haupt-Herkunftsländern von Migranten in den USA, da viele verhindern wollen, dass ihre Söhne rekrutiert oder ihre Töchter sexuell missbraucht werden. Laut den Vereinten Nationen leben von den etwa 9,7 Millionen Einwohnern 400.000 als Binnenvertriebene im eigenen Land.
Nicaragua befindet sich seit einigen Jahren in einer Diktatur durch Daniel Ortega, der 1985 – 1990 schon einmal Präsident für die Revolutionspartei FSLN war. 2006 wurde er wieder zum Präsidenten gewählt und entwickelte das Land in den letzten Jahren zu genau der Regierungsform, gegen die er bei der Revolution noch gekämpft hatte. 2011 hätte er laut Verfassung nicht wiedergewählt werden dürfen, doch eine umstrittene Gerichtsentscheidung ließ seine erneute Kandidatur zu. 2014 ließ er dann das Verbot der Wiederwahl abschaffen und die folgenden Wahlen wurden mit großer Wahrscheinlichkeit gefälscht. Presse- und Meinungsfreiheit sind in Nicaragua stark eingeschränkt und 2018 wurden landesweite Proteste mit scharfer Munition niedergeschlagen. Da Ortega in den vergangenen Jahren gesundheitlich stark angeschlagen ist, übernimmt seine Ehefrau und Vizepräsidentin Rosario Murillo immer mehr die Regierungsgeschäfte.
Doch es gibt auch ein positives Beispiel der Stabilität in Zentralamerika: Costa Rica. Nach einzelnen gewaltvollen Episoden entwickelte sich das Land in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur Erfolgsgeschichte. Präsident José Figueres Ferrer ließ 1949 die Armee per Verfassung abschaffen. Grenzschutzaufgaben übernimmt seitdem die Polizei und die USA und andere amerikanische Staaten gaben durch den Interamerikanischen Vertrag über gegenseitigen Beistand (TIAR-Pakt) militärische Sicherheitsgarantien.
1983 verkündete Costa Rica dann die dauernde, aktive und unbewaffnete Neutralität des Landes. Daher wird Costa Rica auch die Schweiz Lateinamerikas genannt. Die Ausgaben, die seit 1949 für das Militär gespart wurden, investierte das Land insbesondere in Bildung und das Gesundheitswesen, weswegen das Land insbesondere auf diesen Gebieten einen hohen Standard entwickelt hat. Durch die politische Stabilität hat sich Costa Rica außerdem zu einem stark besuchten Land entwickelt und durch den Tourismus einen Wohlstand erreicht, von dem die anderen Länder Zentralamerikas träumen.
1 Antwort zu „Geschichte und Politik Zentralamerikas: zwischen Diktaturen und amerikanischer Einflussnahme – der Kampf um die Identität“
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