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In meinem Blogbeitrag zu Kolumbien möchte ich zunächst von der Vielfalt Kolumbiens schwärmen. In keinem Land meiner Reise verbrachte ich mehr Zeit: 10 Wochen!
Wenn über Kolumbien geredet wird, denken viele schnell an die Guerillas, Pablo Escobar und die krasse Gewalt in der jüngeren Geschichte des Landes. Ich habe mich viel mit der Geschichte und Politik Kolumbiens beschäftigt und versuche (kurz) den Konflikt darzustellen und einige Zusammenhänge zu teilen, die mir vorher nicht klar waren!
Und dann möchte ich euch noch ein soziales Projekt vorstellen, dass in der Comuna 13 fantastische Arbeit, die einst das vlt gefährlichste Stadtviertel der Welt war.

Doch zunächst dazu wie fantastisch Kolumbien ist: Das Land mit 50 Millionen Einwohner*innen erstreckt sich auf knapp 1 Millionen Quadratkilometern – ist also knapp drei Mal so groß wie Deutschland. Ein sehr großer Teil der Landfläche besteht aus den Wäldern des Amazonasgebiets und ein Großteil der Bevölkerung lebt in den Tälern zwischen den Anden-Gebirgsketten. Alleine in der Hauptstadt Bogotá leben knapp 8 Millionen Menschen auf einer Höhe von knapp 2600m!

Wie in den meisten Ländern, durch die sich die Anden ziehen, trennt die längste Gebirgskette der Welt einen Pazifikküsten-Streifen vom Amazonas-Dschungel. Doch Kolumbien ist so groß, dass sich noch viele weitere Landschaften in dem Land tümmeln, von denen ich einige besuchen durfte: die faszinierende Tatacoa-Wüste zum Beispiel oder das höchste Küstengebirge der Welt: die Sierra Nevada der Santa Marta. Und Kolumbien ist das einzige Land in Südamerika, das (nennenswerte) Küste sowohl am Pazifik als auch an der Karibik (Atlantik) hat. Alleine das macht Kolumbien schon zu einem reisenswerten Land, in dem man Monate verbringen kann. Denn für mich ist klar, dass die zweieinhalb Monate, die ich dort verbringen konnte, definitiv zu wenig waren!

Dass ich so viel in diesem Land verbrachte, lag zum einen daran, dass ich vorher in Zentralamerika recht schnell unterwegs war und viele Länder in kurzer Zeit besuchte, aber zum anderen vor allem auch daran, dass mich die Menschen und Kultur insbesondere in den großen Städten faszinierten. Alleine in Medellin verbrachte ich 3 Wochen, in Bogotá 1 Woche und auch in Cali verbrachte ich 6 Tage.
In Bogotá wurde mir vor allem der Künstler Fernando Botero bekannt, der genau an dem Wochenende starb, an dem ich in Bogotá war. Er war genauso weltbekannt und einzigartig wie der kolumbianische Schriftsteller Gabriel Garcia Marquez, der 1982 den Nobelpreis für Literatur bekam.
Und gerade in der Musik muss sich Kolumbien mit Weltstars wie Shakira und Carlos Vives nicht verstecken. Und die Band Morat, die aus Bogotá kommt, gehört in ganz Lateinamerika aktuell zu den bekanntesten Künstlern, die regelmäßig Rekorde brechen.

Auch traditionelle Musik gibt es in Kolumbien sehr viel! Das hat mit den verschiedenen Regionen und indigenen Kulturen zu tun (es gab nicht eine übermächtige, sondern viele verschiedene) und zum anderen auch mit den vielen verschipedenen ausländischen Einflüssen. Zum Beispiel kam aus Deutschland im 20. Jahrhundert das Akkordeon nach Kolumbien, das den Musikstil „Vallenato“ enorm prägt! Daneben besteht Vallenato vor allem aus afrikanischen Rhythmen und spanischen Melodien – super spannend! Beim 50. Geburtstag des Stiefvaters von meiner Freundin Mafe spielte eine Vallenato-Band live und die Stimmung war genial!
Mafe kenne ich übrigens aus meinem Auslandssemester in Mexiko. Sie und Dani besuchte ich in Bucaramanga. Insgesamt war die Zeit in Kolumbien vor allem auch geprägt von den vielen tollen Menschen, die ich wiedertraf und neu kennenlernte. So reiste ich im Norden zwei Wochen mit meiner Schwester Jette und traf in Medellin Jakob und Sarina wieder, die nicht die einzige Bootshitchhiker blieben, die ich in Kolumbien traf. Mahats lud mich in die Community El Juego ein, wo ich mich eine Woche lang viel mit mir beschäftigen und viel lernen konnte!
In Kolumbien begann ich auch zum ersten Mal richtig intensiv mit Couchsurfing und konnte so super viele tolle Menschen kennenlernen und nutzte Couchsurfing auch in den kommenden Ländern. So war ich in Südamerika mehr Nächte bei Privatpersonen untergebracht, als in Hostels. Wobei ich auch in einigen Hostels tolle Begegnungen, auch mit Kolumbianer*innen hatte wie z.B. im Fatima-Hostel mit den Barkeepern Mario, Alex und Carlos, wo ich mehrere kleine Konzerte spielen konnte!
Und manchmal ergibt sich Couchsurfen auch ohne die App: Sarina war in den Bergen von Cocuy bei einer Familie auf ihrer Kaffeefarm und hatte dort eine so gute Zeit, dass sie mich mit Noury und Wilder connectete und ich für zwei Tage die Kaffeefarm besuchte und auch mithalf!

Das einzige, das mich in Kolumbien nicht so umgehauen hat, war das Essen, das für meinen Geschmack im deutlich kleinere Ecuador viel leckerer ist. In Kolumbien haben mich die Arepas etwas enttäuscht, die ich mir viel leckerer und abwechslungsreicher vorgestellt habe – wie die Pupusas in El Salvador, aber vlt hatten gerade die meine Erwartungen auch zu hochgeschraubt..

Dafür lernte ich in Kolumbien noch viele tolle Projekte kennen, von denen insbesondere das soziale Projekt „Comuna Project“ Spuren bei mir hinterlassen hat. Dieses möchte ich hier etwas genauer vorstellen:

Comuna Project – von, für und mit den Menschen aus der Comuna 13

Insbesondere die Comuna 13, eines der ärmsten Viertel Medellins, litt stark unter den Gewaltkonflikten der letzten Jahrzehnte in Kolumbien, den ich unten skiziiere. Insbesondere die Guerillas nahmen große Teile der Comuna 13 unter Kontrolle, versteckten hier Geiseln und zwangen viele Jugendliche, sich ihnen anzuschließen. Immer wieder stießen sie hier zuerst mit dem Militär und später auch den Paramilitärs aneinander, worunter vor allem die Bevölkerung litt. Bei der Militäroperation Orion 2002 wurden viele Personen ermordet ohne das klar war, ob sie überhaupt zu den Guerillas gehörten. Ein Freund von mir, der nie etwas mit den Guerillas zu tun hatte, konnte nur knapp dem Tod entgehen, in dem seine Mutter sich vor ihn stellte und garantierte, dass er nichts mit den Guerillas zu tun hatte.

Diese vielen Episoden der Gewalt in der Comuna 13 haben dazu geführt, dass sich die Armut nur noch verschlimmert hat. In den letzten Jahren wurde ein kleiner Teil von der Comuna 13 mit Graffitis aufgewertet und zu einem touristischen Ort, den wohl jede*r Touri in Medellin besucht. Da allerdings in der Comuna 13 knapp 200.000 Menschen leben und nur ein kleiner Teil von ihnen vom Tourismus profitiert, bleiben viele Probleme.

Der Verein „Comuna Project“ hat sich zur Aufgabe gemacht, die Ungleichheit zu bekämpfen und aus der Kommune heraus eine Transformation zu ermöglichen. Dazu stellen sie verschiedene Projekte auf die Beine, wie z.B. Englischunterricht, psychologische Betreuung, Unterstützung beim Bau und Umbau von Wohnungen und eine Tafel, bei der montags bis freitags benachteiligte Kinder und Senioren ein kostenloses Mittagessen bekommen.

Die Idee ist kommunitär, d.h. dass viele der Engagierten selber aus der Comuna 13 kommen und dort auch z.B. durch Touren oder ein Restaurant selber Einnahmen für die Projekte eingenommen werden. Immer wieder schaffen sie es auch, institutionelle Patenschaften und Unterstützungen zu organisieren.

Ich konnte nur ein bisschen in meinen drei Wochen in Medellin in dieses Projekt reinschnuppern, aber was ich gesehen habe, hat mich begeistert! Die Hingabe mit der David, Leidy und Angel (meine Haupt-Kontaktpersonen) und die vielen anderen ehrenamtlichen das Projekt vorantreiben ist beeindruckend. Dabei verlieren sie das große Ganze nicht aus den Augen und versuche mit „Comuna Project“ etwas aufzubauen, das sich in anderen Stadtteilen oder Städten wiederholen könnte.
Mehr Infos zum Comuna Project findet ihr hier.

Falls ihr das Projekt unterstützen mögt, würde ich mich freuen. Bei konkreten Fragen meldet euch gerne bei mir.

Bewaffneter Konflikt und Drogenkrieg in Kolumbien

Wie auch in den anderen Ländern meiner Reise, habe ich mich in Kolumbien viel mit Politik und Geschichte beschäftigt und da ich in Kolumbien so lange war, habe ich dort auch viel gelernt. Insbesondere interessierte mich der bewaffnete Konflikt und Drogenkrieg, der in Kolumbien auch noch sehr präsent ist. In Bogota gab es hierzu eine Free Walking Tour, die vieles gut zusammenfasste und deren Inhalt ich hier für euch zusammenfassen möchte. Ich halte das bewusst kurz, um einen Überblick zu geben. Falls ihr euch tiefer in die Thematik einlesen möchtet, kann ich euch gerne Literatur empfehlen oder wir tauschen uns mal persönlich dazu aus.

Wenn über den Konflikt geschrieben wird, dann beginnt er häufig mit der Gründung der FARC-Guerilla, doch um zu verstehen, worum sich der Konflikt dreht und wer die wichtigen Akteure sind, muss man mindestens bis zur Unabhängigkeit Kolumbiens zurückschauen.

Der Vollständigkeit halber fange ich vorne an. Schon vor ca. 20.000 Jahren kamen die ersten Menschen ins heutige Kolumbien, sie waren zunächst Jäger und Sammler, doch schon ab ca. 5000 v.Chr. begannen sie mit der Landwirtschaft.
Anders als in großen Teilen Lateinamerikas gab es hier aber kein Großreich wie von den Inka weiter im Süden oder den Mayas und Azteken in Mittelamerika. Stattdessen gab es in Kolumbien viele kleine Stämme (z.B. die San Agustin, Chipcha, Capuli und Arawak), die recht unabhängig voneinander lebten, sodass sich bis heute die Traditionen in verschiedenen Teilen Kolumbiens stark unterscheiden. Diese Episode wird als präkolumbisch (vor Kolumbus) beschrieben, was nicht zu verwechseln ist mit präkolumbianisch was die Phase vor der Gründung Großkolumbiens beschreibt.

Und dann kamen die Spanier: wie in anderen Teilen Lateinamerikas töteten sie die Indigenen, schleppten Krankheiten ein und zerstörten Gebäude und Kultur ohne Rücksicht auf die Errungenschaften. So reduzierte sich auch in Kolumbien schnell die indigene Bevölkerung und so holten die Spanier Sklaven aus Afrika, um neue Arbeitskräfte zu haben. In Kolumbien erhofften sich die Spanier insbesondere enorme Goldvorkommen, nachdem sie bei den Indigenen viel Gold fanden. Der Legende nach sollte es einen Ort geben, an dem sie all das Gold finden würden: El Dorado!

Entstanden ist die Legende vermutlich durch eine Zeremonie der Ureinwohner im Guatavita-See bei Bogotá. Über Jahrhunderte warfen die neuen Herrscher dort Gold-Figuren in unschätzbarem Wert in die Tiefe, um den Göttern Opfer zu bringen. Als die Spanier ankamen, existierte diese Tradition nicht mehr, doch durch Erzählungen entwickelte sich der Mythos um das sagenumwobene Eldorado, das einen der Hauptgründe für die komplette Eroberung und Ausbeutung Lateinamerikas durch die Spanier darstellte.

Verwaltungstechnisch entwickelte sich das Viezkönigreich Neugranada, das die heutigen Kolumbien, Venezuela, Ecuador und Panama einschloss. Nachdem es in der Kolonialzeit immer wieder kleinere Aufstände gab und Neugranada von 1810 – 1816 schon eine Zeit unabhängig war, erlangte das Land 1819 endgültig die Unabhängigkeit. Kopf der Unabhängigkeit war der Venezolaner Simón Bolivar, der auch in Peru und Bolivien entscheidend in die Unabhängigkeitskriege eingriff. In den verschiedenen Ländern, die er befreite und die er zu einem einzigen Staat Großkolumbien entwickeln wollte, hatte Bolivar jeweils mehrere Generäle, die ihn unterstützten. In Kolumbien war das Francisco Santander.

Schon direkt zu Beginn der Republik Neugranada begann sich der Konflikt zwischen Konservativen und Liberalen zu entwickeln, der so viele Länder Lateinamerikas nach der Unabhängigkeit geprägt hat und dessen Charakteristika ich in meinem Artikel über Geschichte in Zentralamerika genauer beleuchte. Bolivar setzte sich mit seinen konservativen Ideen gegenüber Santander durch und entwickelte sich immer mehr zum Diktator. Vermutlich auch deswegen spalteten sich Venezuela und Ecuador nach dessen Tod von Neugranada ab. Ab 1886 hießen das heutige Kolumbien und Panama mit einer neuen Verfassung „Republik Kolumbien“, das die zweite Demokratie in Amerika nach den USA war.

Konservative und Liberalen hatten sich lange um die Ausgestaltung des Staates gestritten, während die Liberalen eine föderales System forderten, bevorzugten die Konservativen einen Zentralstaat. Der Kompromiss von 1886 sorgte allerdings nicht für ein Ende des Konfliktes. Im Gegenteil gab es in Kolumbien von 1899 – 1902 einen der blutigsten Kriege zwischen Konservativen und Liberalen, den sogenannten „1000-Tage-Krieg“, bei dem über 100.000 Menschen ihr Leben ließen.
Die USA nutzten die Instabilität dieser Zeit in Kolumbien und marschierten 1903 in Panama ein und verhalfen dem Land zur Unabhängigkeit. Was für Panama folgte war eine enorme Abhängigkeit von den USA, die sich bis Ende des 20. Jahrhunderts die Nutzungsrechte für den Panama-Kanal sicherten. Dazu mehr in meinem Blogbeitrag über Panama.

Während in Kolumbien die Regierungen wechselten, meistens aber die Konservativen an der Macht waren, blieb die Macht immer in der Hand der Elite – liberal oder konservativ. Insofern war Jorge Eliécer Gaitán, der sich 1948 anschickte, Präsident zu werden, in doppelter Weise besonders: zum Einen kam er aus dem Volk und nicht aus der Elite und zum anderen waren seine Ideen sozialistisch geprägt, eine Richtung, die sich vorher noch nicht bei den Liberalen durchgesetzt hatte. Gaitán hatte sich vorher als Anwalt einen Namen gemacht, der auf Massaker an der Arbeiterbewegung in Kolumbien aufmerksam machte. Er war sehr nah am Volk, nutzte im Gegensatz zur Elite die S-Bahn und war enorm beliebt bei den Kolumbianer*innen, die sich von seiner Herrschaft viele Reformen und eine Bekämpfung der Armut erhofften. Gleichermaßen war Gaitán bei den Konservativen und auch den USA gefürchtet und gehasst.
Am 9. April 1948 wurde Gaitán kurz vor den Wahlen auf offener Straße im Zentrum Bogotas erschossen. In den darauffolgenden Tagen gingen Tausende Menschen auf die Straße, demonstrierten und setzten große Teil der Innenstadt Bogotas in Brand, Polizei und Militär hatten keine Handhabe über die Situation – die Ausschreitungen gingen als Bogotazo in die Geschichte ein.

Etwa 15 Minuten nach dem Mord an Gaitán wurde in unmittelbarer Nähe zum Ort des Attentats der mutmaßlicher Mörder entdeckt und noch an Ort und Stelle vom Mob getötet – der Mann war am selben Tag aus einer psychatrischen Anstalt entlassen worden. Im Nachhinein gibt es aber enorme Zweifel an dieser Version, da es schon ungewöhnlich ist, dass der Mörder 15 Minuten in der Nähe blieb. Außerdem gibt es parallelen zu anderen geschichtlichen Morden, bei denen ebenfalls kurze Zeit später ein „psychisch Kranker“ als Täter dargestellt und vor Ort getötet wurde, sodass man ihn nicht verhören kann.
Die verbreitetsten Theorien sehen die Konservativen oder die CIA als Drahtzieher hinter dem Mord. Ich kann mir gut vorstellen, dass es vlt sogar beide waren. Jedenfalls bekamen beide Seiten was sie wollten: die USA vermieden eine weitere sozialistische Regierung und die Konservativen gewannen eine bereits verloren geglaubte Wahl, da sich nach Gaitans Tod kein anderer Liberaler statt ihm zur Wahl stellen wollte.

Zudem nutzten die Konservativen den Bogotazo als Vorwand, um mit dem Militär und enormer Härte gegen Liberale vorzugehen. Der bewaffnete Konflikt zwischen Liberalen und Konservativen war einige Jahre zuvor wieder ausgebrochen und wurde in dieser Phase „La Violencia“ genannt. „La Violencia“ ging in eine neue Phase. Die Konservativen nahmen sich durch Gewalt oder per umstrittenen Gesetzen immer mehr Land von den Liberalen und „La Violencia“ kostete zwischen 1946 und 1963 über 200.000 Zivilist*innen das Leben.
Da die Konservativen an der Macht waren und mit dem Militär gegen Liberale vorgingen, zogen diese sich immer weiter aufs Land und in die Berge zurück. Doch auch dort spürten die Konservativen sie immer wieder auf. Beide Seiten töteten viele Zivilist*innen, zur Selbstverteidigung gründeten sich verschiedene liberale Selbstverteidigungsgruppen (repúblicas independientes).

Nach einer konservativen Militärdiktatur (in Kolumbiens Geschichte gab es vergleichsweise wenige) verständigten sich Liberale und Konservative auf den sogenannten „Frente Nacional“, eine Abmachung, die vorsah, dass die Macht alle vier Jahre zwischen Liberalen & Konservativen wechseln sollte und auch die Ministerien aufgeteilt wurde. Der „Frente Nacional“ sorgte somit aber für eine noch stärkere Verfestigung des politischen Exklusivismus und gerade linke Akteur*innen sahen sich so herausgefordert mit Gewalt für ein anderes politisches System zu sorgen. Aus den ehemaligen „Repúblicas Independientes“ entstanden verschiedenen linke Guerilla-Truppen, von denen einige bis heute aktiv sind.

Das Ziel der Guerillas war das Errichten einer neuen politischen Ordnungen, ihre Ideen waren vor allem kommunistisch/marxistisch und ihr Mittel der Wahl war vor allem die Gewalt. Die Antwort des Staates war in der Regel noch gewalttätiger und nahm ähnlich wenig Rücksicht auf Zivilist*innen.

So wurden aus den ehemaligen Selbstverteidigungsgruppen bewaffnete, gewaltbereite Gruppen, die den Staat, seine Repräsentant*innen und das Militär bekämpften. Ihr Einnahmen haben sich über die Zeit stark gewandelt bestehen aber insbesondere aus Entführung, Erpressung, Goldabbau sowie die Herstellung und der Schmuggel illegaler Drogen, wie Marihuana und Kokain.

Die bekannteste Guerilla-Gruppe, die FARC, gründete sich 1964 nach der Bombardierung der República Independiente „Marquetalia“. Zu den bekanntesten zählten außerdem die ELN und die M-19, die am 6. November 1985 den Justizpalast in Bogotá einnahmen und alle 11 obersten Richter*innen während der Geiselnahme töteten – die 35 Terrorist*innen wurden auch getötet. An der Planung des Angriffs beteiligt war auf jeden Fall auch Pablo Escobar, womit wir zu einem weiteren wichtigen Akteur in dem Konflikt kommen: den Drogenkartellen.

Ab Mitte der 1970er entwickelte sich insbesondere der Anbau und Export von Kokain extrem rasch, sodass sich mehrere sehr reiche und einflussreiche Kartelle entwickelten. Die beiden größten waren das Medellin-Kartell um Pablo Escobar und das Cali-Kartell um die Orejuela-Brüder. Wie typisch in Drogenkriegen ging es bei Kämpfen zwischen den Kartellen in der Regel um Macht/Vormachtstellung und Geld, doch natürlich kamen die Kartelle auch mit dem Staat in Konflikt, der den illegalen Drogenhandel insbesondere unter Druck der USA bekämpfte. Die Guerillas verbündeten sich in einigen Fällen mit den Kartellen, in anderen Fällen legten sie sich mit ihnen an und insbesondere seit dem Tod von Pablo Escobar und den Festnahmen der Orejuela-Brüder in den 1990er-Jahren übernahmen die Guerillas immer häufiger auch Teile des Drogenmarktes.

Während Pablo Escobar und sein Medellin-Kartell berühmter wurden, war das Cali-Kartell die meiste Zeit das erfolgreichere mit größeren Einnahmen. Zu seiner Hochzeit beherrschte das Cali-Kartell ca. 80% des Drogenmarktes in Kolumbien. Das lag vermutlich vor allem darum, dass sich die Orejuela-Brüder ruhiger verhielten und im Hintergrund ihren Geschäften nachgingen, während Pablo Escobar sich sehr offen mit dem Staat anlegte und sogar selber politische Ambitionen hegte.Sein Ziel war es, so auf politischer Ebene den Krieg gegen die Kartelle zu beenden und sein Wirtschaftsimperium politisch zu schützen.

1982 schaffte er es tatsächlich auch für kurze Zeit ins kolumbianische Parlament, denn sein Ansehen in Teilen der Bevölkerung war enorm groß, insbesondere in seiner Heimatstadt Medellin, wo er viel Infrastruktur, Krankenhäuser und Schulen bauen ließ. Doch nach öffentlichen Anschuldigungen und Protest vieler Abgeordnete*r musste er sein Mandat nach wenigen Wochen niederlegen und spätestens dann entschied er, mit terroristischen Zwecken seine Ziele zu erreichen. Insbesondere wollte er ein Gesetz verhindern, dass die Auslieferung von Drogenschmuggler*innen in die Vereinigten Staaten ermöglichte. Zu diesem Zweck ließ er Autobomben mitten in Bogotá an willkürlichen Orten explodieren, unzählige Polizist*innen ermorden und einmal sogar ein komplettes Flugzeug mit 107 Insass*innen explodieren, um darin befindliche Gegner*innen auszuschalten. Das Hauptziel, den Präsidentschaftskandidaten César Gaviria auszuschalten, wurde dabei sogar verfehlt, weil dieser nicht an Bord war. Spätestens mit diesem skrupellosen Attentat verspielte Escobar die Unterstützung der Bevölkerung und brachte die USA noch mehr gegen sich auf, da zwei US-Amerikaner*innen an Bord waren.

In den 1990er-Jahren nahmen Einfluss und Gewalt durch die Kartelle ab, insbesondere auch durch Escobars Tod. Doch der Krieg des Militärs gegen die Guerillas ging weiter. Da die nationale und internationale Kritik am Vorgehen des Militärs groß war, gründete der kolumbianische Staat in den 1990ern einige paramilitärische Gruppen, die sie unter dem Dach der „Autodefensas Unidas de Colombia” 1997 zusammenfassten und deren einziges erklärtes Ziel die Bekämpfung der Guerillas war. Die Idee war, dass eine unabhängige Gruppe freier in ihrem Vorgehen ist, doch genau dies fiel dem Staat kurze Zeit später auf die Füße, da sich die Paramilitärs verselbstständigten, radikalisierten und immer gewalttätiger auch gegen die Zivilbevölkerung wurden. Erst 2006 konnten sie durch ein umstrittenes Gesetz wieder eingefangen werden, doch auch von ihnen existieren einige bis heute weiter und haben starken Einfluss auch in der Politik. Das Gesetz beinhaltete Amnesie für ehemalige Ex-Paramilitärs. 3700 Paramilitärs, die sich zwischen 2003 und 2006 stellten, gestanden insgesamt über 25.000 Morde ein, für die sie nicht bestraft wurden. Das Gesetz hatte zur Folge, dass sich viele Drogenbarone als ehemalige Paramilitärs ausgaben, um einer Bestrafung zu entgehen.
Es wird davon ausgegangen, dass die Paramilitärs in ihrem Wirken insgesamt mehr zivile Opfer zu verantworten haben als die Guerillas.

Im Jahr 2016 wurde ein Friedensabkommen mit den FARC erzielt. Die erste Version wurde in einem umstrittenen Bürgerentscheid knapp abgelehnt. Nach Verhandlungen entstand eine zweite Version, die vom Parlament gebilligt wurde, das Volk wurde aus Angst einer weiteren Absage nicht noch einmal befragt. Ein Großteil der FARC wurde entwaffnet, es gab eine Übergangsjustiz mit teilweise Amnesie und der FARC wurden einige Sitze im Parlament zugesichert.

Mit anderen Entwicklungen führte das Abkommen dazu, dass die Gewalt in Kolumbien stark zurückgegangen ist. Doch gerade in einigen ländlichen Gebieten ist die Gewalt weiterhin groß, ein Teil der FARC hat sich wieder bewaffnet und auch andere Guerillas agieren weiterhin. Heute sind die Guerillas allerdings mehr auf den Drogenhandel fixiert als darauf, den Staat zu bekämpfen. Präsident ist aktuell tatsächlich ein ehemaliges Mitglieder der Guerilla-Gruppe M-19, die sich 1990 auflöste.
Mit der Guerilla-Gruppe ELN ist der Präsident Gustavo Petro aktuell in Friedensgesprächen.

Die Auswirkungen des Jahrzehnte langen Konfliktes sind bis heute stark zu spüren, so war Kolumbien 2018 das Land mit den meisten Binnenvertriebenen weltweit. Spannend bleibt auch zu beobachten, was passiert, wenn die zehn garantierten Sitze der FARC auslaufen und die Partei evtl. nicht weiter ins Parlament gewählt wird. Konfliktpotenzial bleibt an vielen Stellen…