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Meine erste Woche war schon super ereignisreich und ich habe viel zu erzählen.
In diesem Blogbeitrag findest du neben meinen Erlebnissen der ersten Woche zwei kurze Artikel zu dem Kochareal und dem Platzspitz. Das Kochareal ist ein besetztes Areal, das einige Freund*innen von mir mitgeprägt haben – ein faszinierender und absolut kreativer Ort.
Der Platzspitz hingegen war in den 80ern und 90ern ein Riesen Drogenumschlagspunkt, an dem teilweise bis zu 15.000 Spritzen täglich verteilt wurden.
In einem separaten Blogbeitrag berichte ich nächste Tage von meinen ersten Erfahrungen mit Straßenmusik und welches Projekt ich als erstes mit den Einnahmen unterstützen möchte. Viel Spaß beim Lesen!

Am Montag, 10. Oktober, startete meine Reise in Emsdetten und zwar in dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Von dort aus ging ich zur nächstgrößeren Straße und in die Welt hinaus!
Mit mehreren Zwischenstopps schaffte ich es schließlich nach Würzburg. Dabei nahmen mich insgesamt 5 verschiedene Autos mit – und verschieden passt hier sehr gut. Auf der einen Seite war da Josef aus Polen, der mir erzählte, dass Deutschland ein Problem mit Ausländern hätte und es auch nicht zählen lassen wollte, dass er ja selber nicht aus Deutschland kam. Auf der anderen Seite fuhr ich aber auch bei Fabian mit, der sich intensiv mit mir über Seenotrettung unterhielt. Das Highlight war aber die Fahrt mit Uli, Katja und Birgit. Wir hatten eine Menge Spaß und ich sang mehrere Songs für Uli zum Geburtstag.
Nach einem super schönen Abend mit Magnus, Laura und Michi in Würzburg, bei dem ich mir anschauen konnte, wie der Merch von Sea-Eye entsteht, sammelte mich am nächsten Tag mein Dad ein. Zusammen fuhren wir mit einem Zwischenstopp bei Ulm nach Lindau. Dort genossen wir die Abendsonne im Hafen am Bodensee. Super schöner Ort, kann ich sehr empfehlen 😍

Am Mittwochmorgen kam Hanna, eine Freundin von Sea-Eye, zum Frühstück vorbei, bevor ich mich auf den Weg in die Schweiz machte. Nach emotionalem Abschied von Papa, nahmen mich die super lieben Remo und Kathrin mit ihren beiden Kindern mit und während der Autofahrt entschied ich kurzfristig, dass ich nach Winterthur fahre und nicht nach Bern 😃
Dort war nämlich mein Kumpel Vincent gerade mit dem Wanderzirkus Circolino Pipistrello. Die Show vom Zirkus war mega cool und am Abend konnte ich dann noch ein bisschen über das Wanderleben der Zirkusleute erfahren. Ich selbst packte auch schon mal meine Gitarre aus als die Leute auf die Show warteten und konnte mit meiner Musik einige Menschen begeistern.
Am nächsten Morgen schaute ich mir die Arbeit der Zirkusmenschen an: denn die Hauptaufgabe vom Circolino Pipistrello ist Zirkuspädagogik. So kamen mehrere Dutzend Kinder vorbei, um dort die Botschaft des Circolino Pipistrello zu lernen: Zirkus kann jede*r!

Am Donnerstag ging es für mich dann nach Zürich. In zwei Fahrten war ich dort und sowohl Luca als auch Marzena fuhren extra einen kleinen Umweg, um mich an einem guten Ort rauszulassen 👌😊 Generell läuft das Trampen bisher meistens sehr gut. Ich hab schon einiges gelernt und teile meine Tipps gerne mit dir. Schreib mir einfach! Vlt schreibe ich aus Südspanien auch noch einen extra Eintrag dazu.

In Zürich blieb ich bis Sonntagmorgen und hatte so genug Zeit, um einige Freund*innen zu treffen. Zum Beispiel meinen Kumpel Ali. Ali wohnt in der laut eigener Aussage größten WG Zürichs (37 Bewohner*innen) und von ihrem Dach hat man einen mega Blick auf Zürich. So spielten wir Schach über den Dächern Zürichs.
Außerdem traf ich Marlies, die ich über den Verein ehemaliger Mexiko-Freiwilliger, animo e. V., kenne und wir kochten mexikanisch 🙂 Da Marlies in der Nähe der ETH Zürich wohnt, kamen wir dort vorbei und ich meldete mich spontan zu einem Action Run an, der dort stattfand. Mit fünf anderen musste ich mich gleichzeitig durch einen Hindernis-Parcous kämpfen und wurde 4. – immerhin. Ich war übrigens der einzige in Jeans und T-Shirt, die anderen hatten alle Sportklamotten dabei 😀

Übernachtet hab ich die drei Nächte in Zürich bei Barbara, die ich von einem gemeinsamen Rettungseinsatz im März auf der SEA-EYE 4 kenne. Mit Barbara war ich schwimmen im Zürichsee – mit gleichzeitigem Blick auf die Berge und auf Zürich. Das Wetter war leider in meiner Zeit in Zürich nicht soo schön, sodass es schon etwas kalt war. Barbara war überrascht, dass ich mitkam. Beim Joggen auf den Uetliberg (mega Ausblick!) sagte mir Barbara etwas Schönes: Nämlich, dass man merke, dass ich Menschen ohne Vorbehalt und Kategorien begegne. Sie machte das daran fest, dass sie ca. 20 Jahre älter ist als ich und ich sie trotzdem unbedingt besuchen wollte. Da hatte ich bis zu dem Zeitpunkt tatsächlich nicht drüber nachgedacht, dass das außergewöhnlich wirken kann. Ich hab Barbara gerne und damit war klar, dass ich sie sehen will, wenn ich in der Schweiz bin.

Doch nicht nur Barbara kenne ich aus dem Sea-Eye Kontext in Zürich. Ich traf auch noch Agi, Fabi und Koni, mit denen ich am Freitagabend auf einem Konzert im Kochareal war, von dem ich weiter unten berichte!
Am Samstag war ich dann auch mal alleine unterwegs, habe die Stadt erkundet und an einigen Stellen Straßenmusik gemacht 😊
Nun bin ich nach einem langen Sonntag in der Nähe von Lausanne bei den super lieben Mattia und Didi, die mich aufgenommen haben, weil ich hier nicht weggekommen bin. Heute war das Glück beim Trampen nicht auf meiner Seite und ich habe in Lausanne keinen guten Spot zum Weitertrampen gefunden.
Doch sonst hätte ich Mattia & Didi und ihre Freund*innen Damien, Clara, Angela und Leo nicht kennengelernt. Sie wohnen in Tolochenaz, wo Audrey Hepburn begraben liegt, und starten hier gerade ein SoLaWi-Projekt (Solidarische Landwirtschaft). Sie luden mich zum Essen ein und danach hab ich ihnen noch ein alternatives Billardspiel gezeigt, das ich aus Mexiko kenne.

Das Koch-Areal

Das Kochareal ist ein großes Gelände im Züricher Westen, das seit 2013 von einer großen Gruppierung besetzt ist. Zürich gilt generell als gutes Pflaster zum Besetzen von Häusern, die leerstehen. Schöner Kontrast zur sonst so superteuren Bankenstadt wie ich finde.
Das Kochareal besteht aus mehreren Gebäuden und ehemaligen Fabrikhallen, die u.a. früher zur Kohlelagerung dienten. Hier ist nicht nur ein freier Wohnraum für über 100 Personen inklusive vielen Kindern entstanden, sondern die Bewohner*innen und Gäste haben sich hier kreativ auf verschiedenste Art ausgelebt: es gibt ein eigenes Kino, einen Pool, eine Sauna, eine Fahrradwerkstatt, einen Umsonst-Laden und mehrere Konzert-Räume. Alles selbst gebaut!
Dieser besondere Ort wird leider im kommenden Jahr dem Erdboden gleichgemacht, da „325 preisgünstige Wonungen“ (Stadt Zürich) entstehen sollen. So traurig es auch um diesen vielfältigen Kultur-Raum ist und so schwierig es sein wird, ein ähnliches Projekt ins Leben zu rufen, so verständlich ist der Bau von Wohnungen in einer Stadt wie Zürich, in der die Wohnungsnot extrem groß ist. So sehen es auch meine Freund*innen vor Ort, die das ganze sehr reflektiert betrachten wie ich finde.
Wo altes geht, kann neues entstehen und so muss auch ein so tolles Projekt wie im Kochareal mal zu Ende gehen.
Zur Seite vom Koch-Areal

Der Platzspitz – die offene Drogenszene von Zürich in den 80ern & 90ern

Der Platzspitz ist ein Platz mitten in der Züricher Innenstadt neben dem Hauptbahnhof. Der heute gut gepflegte und schöne Park blickt auf eine krasse Drogengeschichte zurück:
In den 70er-Jahren entwickelte sich in Zürich eine offene Drogenszene, wo also mit illegalen Drogen wie Heroin offen gedealt wurde. Nach mehreren letzlich erfolglosen Interventionen der Polizei an verschiedenen Orten in Zürich, entwickelte sich der Platzspitz in den 80ern zu einem, wenn nicht sogar dem europäischen Drogenumschlagspunkt. Eine Zeit lang wurde die Ausgabe von sauberen Spritzen verboten, was aber nicht zu einer Verringerung der Drogen führte, sondern zur Verbreitung von HIV oder Hepatitis C.
Tausende Menschen kamen täglich in den Platzspitz, um sich unter anderem Heroin zu spritzen. Teilweise wurden bis zu 15.000 Spritzen am Tag verteilt, als dies wieder erlaubt war.
Drogentote lagen tagelang in den Bäumen, die Situation war erschreckend und weltweit wurde über den „Needle-Park“ berichtet.
Im Jahr 1992 kam es zur Räumung des Parks, die laut Kritikern aber schlecht vorbereitet und begleitet wurde. Mehrere Hundert Drogenabhängige wurden tagelang durch die Stadt getrieben. Kurze Zeit später entstand am Letten-Platz eine neue offene Drogenszene, die sogar noch brutaler war. Als diese drei Jahre später aufgelöst wurde, war die Stadt besser vorbereitet und die Räumung wurde mit Hilfsangeboten begleitete. Es entwickelte sich keine neue offene Drogenszene und heute sind ca. die Hälfte der Drogenabhängigen in der Schweiz in Behandlung – ein weltweit einmaliger Wert laut dem Zürcher Arzt André Seidenberg.
Unbestritten sind der Umgang mit Drogen und die Folgen des Konsums in der Schweiz wie weltweit ein weiterhin bestehendes Problem, bei dem noch viel für Behandlung und Prävention zu tun ist.