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In Las Palmas auf Gran Canaria habe ich ein Boot gefunden und werde morgen den zweiten Teil der Atlantiküberquerung bis in die Karibik starten. Von dem Boot berichte ich in meinem Blogbeitrag „Atlantiküberquerung -Teil 2“.
In diesem Blogbeitrag berichte ich von meiner Zeit auf den Kanarischen Inseln La Graciosa, Lanzarote und Las Palmas und thematisiere die Situation für Geflüchtete, die von Westafrika Richtung Kanarische Inseln flüchten.

La Graciosa und Lanzarote

Als ich am 13. November mit Familie Baici auf ihrem Katamaran bei den Kanaren ankam, ankerten wir erstmal zwei Nächte vor der Insel La Graciosa, die beschaulich vor Lanzarote vorgelagert ist. Am Montag fuhren wir mit unserem Beiboot rüber auf die Insel und genossen den ersten Landgang nach einer Woche auf hoher See, indem wir uns am Strand entspannten. Eine große Touri-Gruppe auf einem Katamaran war auch vor Ort, aber hatte zumindest auch eine aufblasbare Rutsche mitgebracht, die Stella, Siro und ich nutzten (im Gegensatz zu den Touris, die auch die Kajaks, die extra für sie rübergebracht wurden, nicht anrührten). Danach erkundeten wir die Insel zu Fuß und konnten vom Vulkan einen wundervollen Ausblick über die überschaubare Insel genießen und nach Lanzarote rüberschauen – wirklich fantastisch und sehr zu empfehlen.
Abends fuhren wir dann noch in ein Restaurant im einzigen Örtchen auf La Graciosa – Caleta del Sebo. Interessanterweise sind dort alle Straßen aus Sand und es fahren ausschließlich Jeeps auf der Insel rum.

Am Dienstag segelten wir dann um Lanzarote rum und konnten die Vulkaninsel so sehr gut von Außen bestaunen bis wir abends in der Hauptstadt Arrecife ankamen. Der Hafen war voll, sodass wir in der Nähe ankerten bis uns die Polizei vertrieb und wir mit dem Kinderbonus doch noch in den Hafen einfahren konnten.

Am Mittwoch verließ ich dann schweren Herzens Familie Baici, da ich bald weiter wollte nach Gran Canaria, und nahm ich mir einen Mietwagen, um Lanzarote zu erkunden. Da ich gerne in Begleitung bin, fragte ich in die WhatsApp-Gruppe der Boots-Tramper (wir sind mittlerweile über 120 :D) und fand 4 Jungs, die mitkamen: Alexis aus Belgien, Arnaud und Dilan aus Frankreich und Max aus Köln. Wir hatten einen fantastischen Tag und konnten bei unserem Roadtrip sehr viel von Lanzarote sehen. Die Insel ist in vielen Teilen sehr vulkanisch geprägt und es ist dem vielen Regen im September zu verdanken, dass wir überhaupt grüne Stellen sehen konnten. Der Anblick war wirklich beeindruckend, man fühlt sich wie wenn man über den Mond oder Mars fährt (so stell ichs mir vor nur ohne Schwerelosigkeit und so). An der Westküste bei El Golfo und Los Hervideros sahen wir außerdem faszinierende Steiküsten, an denen sich die meterhohen Wellen abarbeiteten und fuhren später ins Landesinnere in die Stadt Teguise. Wie alle Städte auf Lanzarote, sind dort quasi alle Häuser komplett weiß und max. 2 Stockwerke hoch. Das geht auf den Architekten César Manrique zurück und gibt der Insel ein einzigartiges Aussehen. Den Sonnenuntergang genossen wir am Hippie-Strand von Famara.

Die Nacht verbrachte ich im Camp von Lanzarote, das die Tramper vor Ort in einem verlassenen Restaurant gegründet haben. Wir gingen containern und konnten so ein üppiges Abendessen genießen.

Am nächsten Tag fuhr ich dann mit der Fähre weiter nach Las Palmas auf Gran Canaria.

Las Palmas de Gran Canaria

Auf Gran Canaria angekommen, mietete ich mich erstmal ein paar Nächte im Hostel ein. Ich war vor allem wegen der Regatta ARC so schnell weitergefahren, die jedes Jahr mit mehreren Hundert Booten Richtung Karibik startet. Ich erwartete zwar nicht, ein Schiff dort zu finden, doch ich wollte die Atmosphäre einfangen und einfach sehen, wie die Regatta so abläuft.
So verbrachte ich den ersten Tag gleich im Hafen und quatschte mit vielen Leuten. Die ARC wird begleitet durch unzählige Seminare und Events in den Tagen vor der Abfahrt, die man allerdings leider nur als Teilnehmer*in besuchen kann. Es war dennoch total spannend, den Start der ARC mitzuverfolgen und vlt klappt das noch zu einem anderen Zeitpunkt in meinem Leben 🙂

Den Samstag vor der ARC nutzte ich, um die Stadt zu erkunden. Gemeinsam mit ein paar Boot-Trampern, gingen wir in die Altstadt, tranken einen Kaffee und nachdem wir auf die Kathedrale gestiegen waren (super Ausblick, empfehlenswert!), trennten sich unsere Wege und ich spazierte noch ein bisschen durch die Altstadt, die zwar von oben echt schön aussieht mit ihren bunten Häusern, aber aus der Nähe betrachtet echt nicht so viel hergibt. Meinen anschließenden Besuch im Kolumbus-Haus kann ich eher nicht empfehlen. Zum Einen fand ich bis auf 2, 3 Räume zu Kolumbus-Reise-Routen wenig Spannendes, zum Anderen fehlt es komplett an kritischer Auseinandersetzung mit der Kolonialisierung und Unterdrückung von Indigenen durch die Spanier. Auf Nachfrage sagte mir eine Museums-Angestellte, dass wir ja alle nicht nur gut seien und eine andere meinte, dass das einfach zu viel Info-Text wäre. Und wieder bleibt bei mir das Gefühl, dass die Spanier*innen ihre eigene Geschichte besser aufarbeiten sollten…
Das Kanarische Museum soll dafür sehr gut sein, ich selber war leider nicht drin. Mit der Geschichte der Kanaren habe ich mich aber etwas beschäftigt und finde sie sehr spannend. Erste Spuren von Menschen reichen bis ca. 1000 v. Chr. zurück. Zwischen 100 v. Chr. und 100 n. Chr. siedelten die Römer vor allem viele Berber auf die Inseln über. Nach dem Fall des römischen Reiches blieben die Inseln dann aber komplett von der Außenwelt abgeschnitten und nicht mal untereinander verbunden, weil die Bewohner*innen der Kanaren keine Sehfahrer*innen waren und es auch nicht wurden. So entwickelten sich auf den verschiedenen Inseln teils sehr unterschiedliche Kulturen und Bräuche. Erst mit den Spaniern kam im 15 Jahrhundert wieder jemand von Außen auf die Inseln und wenig später wurden sie der spanischen Krone untergeordnet (auch wenn das natürlich deutlich komplizierter war, als sich das gerade anhört). Kolumbus machte auf jeder seiner vier Reisen dann auch hier Stopp.

Die letzte Woche war geprägt von einer guten Mischung aus Insel erkunden, Menschen kennenlernen und Boot suchen. Viel Zeit verbrachte ich ihm Hafen, bis ich am Donnerstag das Boot fand 🙂
In den ersten Nächten im Hostel hab ich einige coole Leute kennengelernt und immer mal wieder etwas mit ihnen unternommen. Am Dienstag habe ich mit zwei anderen Trampern ein Auto gemietet und die Insel bei einem Roadtrip erkundet. Vor allem der knapp 2000 Meter hohe Roque Nublo, von dem wir bis nach Teneriffa rüberschauen konnten, und die Dünen von Maspalomas haben mich beeindruckt!

Die meisten Zeit verbrachte ich allerdings im Hafen, in der Sailor’s Bay Bar und am Strand nebenan, wo wir ein großes neues Camp aufgebaut haben. Ca. 50 Menschen suchen hier aktuell nach einem Boot würde ich schätzen.
Es ist mega spannend, all die Menschen zu treffen, die nach einem Boot suchen oder eins besitzen und über den Atlantik fahren wollen. Mehr dazu in meinem Artikel zur Atlantiküberquerung Teil 2.

Fluchtroute Richtung Kanarische Inseln

Wie auch im Mittelmeer liegen Freud und Leid, Urlaub und Flucht, auf den Kanarischen Inseln sehr nah beieinander und ich wurde mehrmals damit konfroniert – vlt auch weil ich sensibel für das Thema bin. Als wir vor Lanzarote ankamen, hörte ich einen weitergeleiteten Notruf von einem Boot mit 45 Personen in Seenot. Da der Notruf von einem Segelboot weitergeleitet wurde, gehe ich fest davon aus, dass diesen Menschen geholfen wird.
Heute fuhren hier im Hafen auf einmal mehrere Autos vor und ein Boot der Küstenwache legte an. Sie hatten drei Menschen von einem Frachter übernommen. Ob die Menschen von dem Frachter gerettet wurden oder als blinde Passagiere auf dem Frachter kamen, konnte die Polizei, mit der ich sprach, nicht sagen.
Ich bin auch mit Personen im Kontakt, die hier auf den Inseln mit Geflüchteten arbeiten oder gearbeitet haben, doch leider reichte meine Zeit hier nicht aus, um sie zu treffen und tiefer in das Thema einzutauchen. Das Geld, das ich hier mit Straßenmusik eingenommen habe, wird aber den NGOs hier vor Ort zu Gute kommen.
In den letzten Jahren hat sich die Route von Westafrika Richtung Kanaren immer mehr zu einer extrem gefährlichen und tödlichen Fluchtroute entwickelt. Viele Boote, die hier ankommen, starten nicht aus Marokko, das relativ nah ist, denn es ist schwierig nach Marokko zu kommen und von dort versucht man eher aufs spanische Festland zu kommen. Die Boote kommen aus westafrikanischen Ländern wie Senegal, Guinea oder sogar Sierra Leone. Sie sind also teilweise deutlich über 1000 Kilometer unterwegs und das in seeuntauglichen Booten.
Immer wieder entdecken Fischer menschliche Überreste in ihren Netzen. Viele Boote verschwinden spurlos. Andere werden nach Wochen gefunden mit nur wenigen Überlebenden an Bord.
Im vergangenen Jahr wurden 1126 Tote auf dieser Fluchtroute registriert. Wie so oft müssen wir leider von deutlich höheren Dunkelziffern ausgehen.
Die Dresdner NGO Mission Lifeline ist zwar wie Sea-Eye und andere hauptsächlich im Mittelmeer aktiv, war aber vor allem 2021 auch auf den Kanaren und schreibt ein bisschen zu der Situation: https://mission-lifeline.de/unser-einsatz-im-atlantik/