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In diesem Blogeintrag möchte ich euch von meinen Erfahrungen beim Trampen durch Europa erzählen. Ich schaue mir außerdem mal ein paar Klischees zum Trampen an und weiter unten gibt es dann noch einen Abschnitt mit Tipps, falls ihr auch mal trampt!

Vom Münsterland bis Südspanien

Am 10. Oktober bin ich in meiner Heimatstadt Emsdetten gestartet. 25 Autos und 3597 Kilometer später bin ich in La Linea de la Concepción bei Gibraltar angekommen und hab auf dem Weg durchs Mitfahren 41 Menschen und einen Hund kennengelernt. Mit dem Hund war wohl die anstrengendste Fahrt (wenn auch eine der schönsten), da er gehaart hat und sehr kuschelbedürftig war.
Meine längste Mitfahrt war fünfeinhalb Stunden mit der Britin Sarah von Genf bis kurz vor Marseille. Die kürzeste Fahrt war für 3 Minuten mit Thanh, einem Vietnamesen, der mich ins Zentrum von Winterthur mitgenommen hat.
Für mich war das Trampen eine super tolle Erfahrung und Möglichkeit zu reisen und ich werde es sowohl während der Reise als auch danach mit Sicherheit weiterhin machen. Durchs Trampen wird der Weg zum Ziel und man lernt die Umgebungen, in denen man unterwegs ist, ganz anders kennen als wenn man zu einem (Bus-)Bahnhof fährt und beim nächsten wieder aussteigt. Vor allem aber lernt man Menschen kennen, die man sonst niemals kennenlernen würde. Ich bin beispielsweise bei einem Russen mitgefahren und konnte mit ihm über den Krieg in der Ukraine sprechen. In diesem Blogbeitrag beschreibe ich die Begegnung länger. Genauso beschreibe ich dort zwei weitere tolle Begenungen, mit einer Britin aus der Schweiz, mit der ich in Südfrankreich deutsche Musik sang und mit Mattia und Didi, die mich aufgenommen haben, als ich bei Lausanne gestrandet bin.
Ich finde die Verbindung, die man beim Trampen hat, auch besonders, weil beide Seiten einer/einem Fremden vertrauen. Teilweise sind auch gerade dadurch intensive & vertraute Gespräche entstanden, dass wir wussten, dass wir uns wohl nie wiedersehen. Eine Frau hat mir von ihrer Trennung nach 35 Jahren Ehe erzählt, in anderen Kontexten hätte sie das vlt eher nicht gemacht.
Natürlich muss das aber auch nicht so sein. Ich bin zum Beispiel bei einem Mann mitgefahren, der mir keine einzige Frage gestellt hat, nicht mal, nachdem ich meinem Cousin am Telefon von der Reise erzählt habe und er mithörte. Auf meine Fragen ging er interessanterweise aber ausführlich ein 😀
Man trifft beim Trampen sowohl Menschen, mit denen man die gleichen Ansichten teilt, wie mit Fabian aus Hessen, der seit Jahren Seenotrettung unterstützt, als auch Menschen, die sehr verquere Meinungen haben, wie Josef, der zwar selber als Pole in Deutschland lebt, aber meinte, dass wir ein Problem mit Ausländern hätten und dass in der Schule mehr erzählt werden solle, was Hitler gutes gemacht hat.
Ich habe Menschen getroffen, die noch nie jemanden mitgenommen haben und auf der anderen Seite David, der selber schon Tausende Kilometer in Europa und Australien getrampt ist und wenn er auf der Autobahn Zeit hat, an jeder Raststätte kurz runterfährt, um zu schauen, ob dort Tramper stehen – Ehrenmann!

Du willst Trampen? Das macht doch heute niemand mehr…?

Mir wurde vorher viel gesagt, dass heute ja kaum noch jemand trampt und ich habe auch bisher selten Menschen gesehen, die trampen. Und tatsächlich hab ich auch als Tramper den Eindruck bekommen, dass heutzutage nur wenige Menschen diese Fortbewegungsmöglichkeit wählen. Vor 20/30 Jahren war das ja anscheinend noch absolut Gang und Gäbe. Ich interpretiere das so, dass erstens die Möglichkeiten der Fortbewegung in den letzten Jahrzehnten deutlich vielzähliger geworden sind, die Menschen generell mehr Geld haben und dass aber auch dass das Vertrauen in andere gesunken ist. Ich bin gespannt, wie das in 20 Jahren ist.
Bin gespannt, was ihr dazu denkt und ob ihr mir zustimmt.

In der Schweiz nimmt dich kaum jemand mit, in Frankreich ist das viel einfacher

Dieser Aussage muss ich alleine schon widersprechen, weil mir so pauschale Aussagen suspekt sind. Unabhängig davon hab ich aber teilweise ganz andere Erfahrungen gemacht. Es mag sein, dass Trampen in einigen Ländern verbreiteter ist, z.B. Frankreich, und man durch ein Langzeitexperiment herausfinden würde, dass in Frankreich 17% mehr Autos anhalten. Und in anderen Ländern ist die Skepsis schon größer: In Spanien und der Schweiz hatte ich zum Beispiel das Gefühl.
Aaaaber in beiden Ländern hab ich ähnlich gut, Mitfahrgelegenheiten gefunden wie in Frankreich, teilweise sogar deutlich schneller. In der Schweiz habe ich meistens keine 5 Minuten gewartet! (Einmal kam ich allerdings auch gar nicht weg, in Frankreich aber auch einmal).
Am Ende kommt es viel mehr darauf an, wo man steht, wie man sich verhält, wer gerade unterwegs ist, etc. Häufig wird man eh eher von ausländischen Reisenden mitgenommen, da die ähnliche Routen fahren und näher dran sind, am Tramping-Lifestyle.

Tipps fürs Trampen

Falls du dir vorstellen kannst, zu Trampen, erstmal nur Mut: Trau dich, das wird gut werden! Natürlich kann das auch mal anstrengend sein, aber wenn du Lust drauf hast, dann wird dich das Trampen auch nicht enttäuschen. Damit das Trampen entspannter wird, hier ein paar Tipps:

  • Das Wichtigste zuerst: Du brauchst Zeit. Klingt banal, ist eigentlich auch klar, aber ich bin dann doch manchmal sehr ungeduldig gewesen. Und das Wesen vom Trampen ist ja, dass man eben nicht planen kann, wann man wo genau ankommt.
    Am entspanntesten ist es, wenn du gar kein klares Ziel für einen Tag hast, sondern einfach schaust, dass du so weit kommst, wie möglich. Klar ist aber auch, dass man zum einen ja manchmal einfach ein Ziel hat, weil eine Unterkunft gebucht oder eine Freundin informiert ist, die man besucht, und man zum anderen sich dann doch überlegt wie weit man wohl kommt.
    Dann plane am besten doppelt so viel Zeit ein, wie man sonst mit dem Auto brauchen würde. Das ist eine gute Faustregel. Es kann auf jeden Fall auch schneller gehen, in Einzelfällen war es bei mir aber sogar mal länger, weil ich irgendwo stand, wo ich einfach nicht wegkam.
  • Informiere dich über die Route. Schau nach, welche Route man mit dem Auto fahren würde, um zu deinem Ziel oder in die Richtung zu kommen und update dich mehrmals am Tag. Vlt gibt es ja zB eine Vollsperrung auf dem Weg und niemand fährt da lang, wo du lang willst.
  • Stell dich an einen Ort, an dem Autofahrer*innen dich gut sehen und anhalten können und in die richtige Richtung fahren. Je mehr andere Routen es für die Autos gibt, desto weniger wirst du mitgenommen.
  • Sprich Menschen an. Am besten funktioniert es dort, wo du mit den Menschen sprechen kannst. So kriegen sie einen kurzen (hoffentlich) sympathischen Eindruck von dir und müssen sich nicht innerhalb von Sekunden entscheiden. Ich wurde auch mal von Personen mitgenommen, die mir erst abgesagt haben, weil sie danach an der Tankstelle noch Zeit hatten, sich umzuentscheiden. Wenn sie an dir vorbeifahren, ist das nicht so einfach möglich.
  • Versuche, freundlich zu wirken und gut erkennbar zu sein. Sonnenbrillen und bis ins Gesicht gezogene Hüte sind zB keine gute Idee!
  • Raststätten sind ideal! Dort kannst du die Menschen ansprechen und sie fahren alle in die gleiche Richtung! Steig deswegen auch am besten an Raststätten raus, falls sich irgendwann deine Wege von denen des Autos trennen. Woanders kommst du in der Regel deutlich schlechter weg. Es kann auch mal eine Option sein, mit einem Bus oder Zug aus der Stadt rauszufahren und zu einer Raststätte zu laufen. Wichtig: es gibt einen Unterschied zwischen Raststätten und Rasthöfen, denn an letzteren können die Menschen in unterschiedlichste Richtungen fahren.
  • Male ein Schild – vlt!? Es gibt Diskussionen unter Trampern ob Schilder helfen oder es besser ist Menschen direkt anzusprechen. Wenn du keine Möglichkeit hast, die Menschen anzusprechen und es dort wo du stehst mehrere Routenoptionen für die Autos gibt, geht an einem Schild aber kein Weg vorbei. Ich habe auch gerne an Raststätten eines genutzt, wenn ich Leute angesprochen haben. Dann haben sie visualisiert, was du ihnen sagst.
  • Check die Seite hitchwiki.org. Dort findest du für ganz viele Städte Tipps, wie du rein und raus trampen kannst. Informiere dich dann aber nochmal, ob die dort angegebenen Verbindungen noch so existieren, teilweise ist das etwas veraltet.
  • Bleib flexibel. Wenn jemand nicht da lang fährt, wo du geplant hattest, dich deinem Ziel aber näherbringen würde, ist es durchaus ne Überlegung wert, bei ihm oder ihr mitzufahren.
  • Gib nicht auf, aber überlege Alternativen. Es kann leider sein, dass du mal länger warten musst und je nach Tagesform vlt total demotiviert bist. Schau zwischendurch mal ob und wie spät es noch Alternativen wie Bus oder Bahn geben könnte, damit du zur Not anders ans Ziel kommst. Ich war dadurch manchmal auch entspannter, wenn ich wusste, dass es noch eine Alternative gäbe, wenn’s gar nicht geht.
  • Mach dein Ding. Du kannst gerne die Hälfte meiner Tipps ignorieren. Jede*r findet die eigene Weise zu trampen 😊

0 Antworten zu „Trampen durch Europa – zu Klischees und Tipps“

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