Nachdem ich vor zweieinhalb Wochen schon abfahrbereit auf dem Boot von Jack und Jill war und wir alle Vorbereitungen inklusive Einkauf getätigt hatten, hat sich einiges ereignet – nur keine Atlantiküberquerung. Dafür habe ich aber einiges erlebt und ein tolles Projekt mit Geflüchteten kennengelernt – die Associación Atlas, die ich euch unten genauer vorstelle. Außerdem gehe ich ein bisschen auf die Probleme durch Tourismus und digitale Nomaden ein, das hängt nämlich enger zusammen als man im ersten denkt.
Kurz bevor ich mit Jack und Jill vor zweieinhalb Wochen losfahren wollte, wurde Jill krank und in der Nacht vor der Abfahrt wurde es schlimmer, inklusive Fieber. Wir verschoben daher die Abfahrt doch dadurch verpassten wir ein Wetterfenst und die nächsten zwei Wochen war entweder kein Wind da oder er blas sogar gegen die Inseln.
Auch wenn die Zeit wirklich anstrengend und nicht einfach war, da sich die Abfahrt immer wieder verzögerte und es mich einfach weiterzieht, habe ich die Zeit auf Gran Canaria noch gut genutzt. Ich habe sehr viel Straßenmusik gemacht und in Bars gespielt, dazu findet ihr auch einen eigenen Beitrag hier im Blog. So habe ich wahnsinnig viele Menschen und einige Musiker*innen kennengelernt und mehrmals auch mit anderen zusammen Musik gemacht.
Mittlerweile kenne ich durch die Fragerei im Hafen, durch die Hostels und durch die Musik sehr viele Menschen in Las Palmas und es fühlt sich fast wie ein Zuhause an – solange wollte ich zwar nicht hierbleiben, aber gut: ist trotzdem cool in eine Bar zu gehen und eigentlich immer jemanden zu kennen. Zusätzlich habe ich einige Freund*innen aus Deutschland getroffen.
Hella hat mir ein super cooles Hostel in den Bergen empfohlen, das Mountain Hostel Finca La Isa, wo ich zwei Nächte verbracht habe. Der Ausblick war einfach phänomenal und das direkt nach dem Aufstehen 🙂 Was mir dort vor allem auch gefallen hat, war, dass abends alle zusammenkamen im Aufenthaltsraum. In Hostels in Städten verstreuen sich abends alle irgendwie, weil manche in Bars sind, andere am Strand und wieder andere im Hostel bleiben. Das war ein echt gemütliches Beisammensein und ich hab dann natürlich auch Gitarre gespielt und wir haben gemeinsam gesungen. Nur Hella verpasste ich dort leider knapp. Zurück in Las Palmas traf ich sie dann aber und wir gingen mit einigen aus ihrem Hostel was Trinken in der Bar, in der man irgendwie meistens im Laufe des Abends mal landet: der Bar San Remo.
In der Bar San Remo traf ich am nächsten Tag zufällig Martin von der Sea-Eye Gruppe Jena, der hier gerade Urlaub macht.
Als klar war, dass sich die Abfahrt wegen des Wetter weiter verzögerte, entschloss ich mich, wieder bei Familie Baici auf den Katamaran zu gehen, um mit ihnen über Silverster auf Cap Verde zu sein und dann weiterzufahren. Auf dem Schiff hat nämlich auch mein langjähriger Kumpel Jakob Platz.
Die zweite Woche meiner Vezögerungen nutzte ich dann zum Surfen in Las Palmas: In 6 x 2 Unterrichtsstunden habe ich echt einiges gelernt und viele Fortschritte gemerkt. Am Ende stand ich bei fast jeder Welle auf dem Brett und es hat großen Spaß gemacht. So hab ich nun eine Basis geschaffen, um während der Reise immer mal wieder zu Surfen!
Als meine Surf-Zeit dann vorüber war und sich die Abfahrt bei Baicis durch das Warten auf zwei Pakete leider noch verzögerte, kam der richtige Zufall zur richtigen Zeit. Ich lernte Manuel und das Projekt Atlas kennen, wo ich mehrere Tage verbrachte und unter anderem eine Wanderung mitmachte, die uns über den einzigen verbliebenen Wanderweg aus der Stadt herausführte. Gran Canaria ist von allen Seiten mit Schluchten durchzogen, die sich furchenartig in die Berge in der Mitte ziehen, sodass die Insel einer riesigen Zitronenpresse gleicht.
Nach 25km kamen wir an unserem Ziel – La Atalya – an und besichtigten dort eine Ton-Werkstatt und konnten zusehen, wie Gofio hergestellt wird – ein typisch kanarisches, geröstetes Maismehl, das die Kanarier*innen in vielen verschiedenen Formen verköstigen – auf Brot, in Suppen oder als Tortilla.
Associación Atlas
Das Projekt Atlas ist erst in den letzten Jahren entstanden. Der Begründer, Manuel oder auch Manolo genannt, lebt wie so viele Menschen auf den Kanaren vom Tourismus. Vor einigen Jahren hat er ein Haus übernommen, in dem er Wohnungen an kurz und lange Verreisende vermietet.
Als 2020/2021 die Zahl der Geflüchteten auf den Kanaren stark zunahm und die Behörden teilweise versagten, sodass viele Menschen auf der Straße landeten, sprang die Zivilbevölkerung ein und auch Manolo nahm einige Geflüchtete auf. Seitdem wohnen durchgehend mehrere Geflüchtete bei ihm, die gegen eine symbolische Miete unterkommen können, um anzukommen und Arbeit zu suchen. Das ist gar nicht so einfach für sie, denn die Arbeitslosigkeit ist auf den Kanaren enorm hoch, insbesondere bei jungen Menschen: Bei den Unter 24 Jährigen liegt sie bei über 50%. Das liegt auch an den vielen zuwandernden Deutschen und Engländer, die als „Native Speaker“ den Einheimischen die Jobs als Reiseleiter*in, Tauchlehrer*in, Empfangschef*in, Mitarbeiter*in einer Autovermietung oder auch als Hoteldirektor*in wegnehmen.
Und auch eine Wohnung zu finden, ist für die Geflüchteten sehr, sehr schwierig. Denn Touristen und vor allem die digitalen Nomaden, die auf die Kanaren ziehen, treiben die Preise in die Höhe. Die Vorurteile gegenüber Geflüchteten sind leider auch hier sehr groß, sodass viele lieber an Touris oder digitale Nomaden vermieten. Manolo sagt, dass er sich manchmal hilflos fühlt ob der Lage für Geflüchtete auf den Kanaren und bei dem Gedanken, dass viele es nicht mal auf die Kanaren schaffen und vorher ertrinken.
Umso wichtiger, dass Menschen wie Manolo für die Geflüchteten da sind. Dass sie bereichernd sein können, zeigt das Projekt: Aktuell sind mehrere Senegalesen im Hostel und es gibt regelmäßig senegalesisches Essen, Musik und vieles mehr.