In diesem Blogbeitrag erzähle ich nicht nur von dem, was wir auf Kap Verde erlebt haben, sondern möchte euch das Land näherbringen und was ich darüber lernen durfte – es lohnt sich!
Ich gebe zu, auch für mich war Kap Verde nur ein Name, den ich mal gehört hatte, bevor ich hierher kam. Mit viel Kramen in den hintersten Ecken meiner grauen Zelle wäre mir vlt noch eingefallen, dass die Inselgruppe zu Westafrika gehört. Doch auf meiner Reise, die mich vor allem durch Mittel- und Südamerika führen soll, war Kap Verde allenfalls ein Zwischenstopp. Nach meinem ursprünglichen Plan wäre ich wohl von den Kanaren am liebsten direkt in die Karibik gefahren. (Dann fährt man zwar auch erstmal Richtung Kap Verde biegt aber kurz vorher ab und lässt sich von den Passatwinden rüberblasen)
Für viele Segler*innen ist Kap Verde aber ein gelegener Zwischenstopp, um die lange Überfahrt über den Atlantik noch einmal zu unterbrechen, durchzuschnaufen, Reparaturen durchzuführen, Proviant aufzustocken. Und als mir klar wurde, dass ich meinen ursprünglichen Zeitplan eh durch die Pfeife rauchen konnte, wurde das Land interessant für mich. Ich entschied mich ganz bewusst, wieder zu Familie Baicis auf das Boot zu gehen und mit ihnen den Zwischenstopp auf Kap Verde zu machen. Mittlerweile hatte das Land nämlich doch mein Interesse geweckt: auch weil ich zum Ende meiner Zeit auf den Kanaren anfing, Portugiesisch zu lernen.
Kap Verde – ein Mischung aus portugiesischen und westafrikanischen Einflüssen mit viel Musik und Tanz
Bevor die Kapverdischen Inseln Mitte des 15. Jahrhunderts von verschiedenen portugiesischen Seefahrern entdeckt wurden, waren sie unbewohnt. Diogo Gomes taufte sie auf den Namen „Ilhas de Cabo Verde“ (Inseln des Grünen Kaps) und begann mit der Besiedlung. Keine Ahnung wie er auf den Namen kam, der mir wenig passend vorkommt: die meisten Vulkaninseln sind eher braun als grün und es wächst alle paar Meter mal ein Kaktus. Vlt stand er auf dem Vulkankrater auf der Insel Santo Antao, die wir auch besucht haben, als er sich den Namen ausdachte: Dort im Krater wird nämlich viel Gemüse angebaut und Santo Antao ist tatsächlich sehr grün – zumindest im Nordwesten. Die Insel wird auch der Garten von Kap Verde genannt und liegt übrigens ganz im Westen der Inselgruppe.
Nach der Besiedlung der Inseln begann Portugal schnell, den Sklavenhandel nach Kap Verde zu bringen. So war das Land für mehrere Jahrhunderte ein Zwischenstopp für Sklaventransporte nach Amerika und es entstand über die Jahrhunderte eine Kultur, die zum Einen durch portugiesische Einflüsse gepägt ist, aber auch viel von verschiedenen westafrikanischen Kulturen aufgesogen hat. Nicht zuletzt findet man hier auch viele Parallelen zu Brasilien.
Insgesamt besteht Kap Verde aus 9 bewohnten Inseln und 16 weiteren kleinen Inseln und liegt ca. 570 Kilometer von der westafrikanischen Küste entfernt. Die Inseln werden in die windzugewandten und die windabgewandten Inseln unterteilt. Wir liegen mit dem Boot in der Stadt Mindelo auf der Insel Sao Vicente, die genauso wie Santo Antao zu den windzugewandten Inseln im Westen gehört. Mindelo hat den einzigen, richtigen Yachthafen von Kap Verde, vermutlich genau wegen der Lage im Westen als gutem Standort für die Atlantiküberquerung.
Cesaria Evora und Amilcar Cabral – zwei Ikonen in Kap Verde
Das Land ist seit 1975 unabhängig von Portugal und hat sich zu einem der stabileren und wohlhabenderen Länder Afrikas entwickelt. Armut ist hier dennoch noch ein großes Thema und man wird in der Straße auch von vielen Personen angesprochen, die einen um Geld oder etwas zu Essen bitten. Ca. 90% der Lebensmittel müssen importiert werden, ein großer Teil der Fischerei wird an ausländische Flotten abgegeben. Der Tourismus ist im Kommen und beträgt heute ca. 10% des Bruttosozialprodukts.
Das wohl wichtigste Gesicht der kapverdischen Unabhängigkeitsbewegung war Amilcar Cabral. Als Sohn kapverdischer Eltern wuchs er zunächst im heutigen Guinea-Bissau und später in Kap Verde auf. Nach längerem Aufenthalt und Ausbildung in Lissabon kehrte er nach Guinea-Bissau zurück und organisierte ab den 60er-Jahren die Unabhängigkeitsbewegung der beiden Länder, die nicht zuletzt wegen ihm eng miteinander verbunden war. Nachdem die Portugiesen mehrmals versucht hatten, ihn zu töten, kam er 1973 bei einem Attentat ums Leben als sich Teile der eigenen Partei gegen den starken kapverdischen Einfluss in Guinea-Bissau richteten. So erlebte er selber die Unabhängigkeit Kap Verdes nicht mit. 15 Jahre lang herrschte in dem westafrikanischen Land de facto eine Ein-Parteien-Diktatur mit gescheiterten, blutigen Putschversuchen – bis 1990 eine Verfassungsänderung zu einer Demokratisierung des Landes führte und die Opposition schlagartig 78% bekam. Vorher hatte sie bei jeder Wahl angeblich 5,5% erreicht.
Kap Verde ist eine parlamentarische Republik mit einem direktgewählten Präsidenten als Staatsoberhaupt. Das Parlament besteht aus einer Kammer mit 72 Abgeordneten – das sollte man mal dem deutschen Bundestag sagen 😀 Allerdings ist Kap Verde auch sehr klein und hat insgesamt nur knapp 500.000 Einwohner*innen. Die Hauptstadt Praia ist mit 125.000 Einwohner*innen zwar die größte Stadt, doch Mindelo als zweitgrößte Stadt mit 70.000 Einwohner*innen gilt als das kulturelle Zentrum des Landes. Vermutlich auch, weil Cesaria Evora aus Mindelo kam und nach ihrer Karriere ihr Leben hier ausklingen ließ. Die Kapverdierin gilt als Begründerin und wichtigste Stimme der Morna – der traditionellen Musik auf Cap Verde. Morna wird mit Gitarren „Cavaquinho“ (kleine viersaitige Gitarre), Geige und einer 10-saitigen Gitarre gespielt. Die Stimmung der Morna ist melancholisch, sie beruht vor allem auf Gedichten von Eugénio Tavares’, der als Begründer einer eigenen Literatur der Kapverden gilt.
Cesaria Evora stammt aus einer Musiker-Familie und machte ihr ganzes Leben Musik in den Bars und Restaurants von Mindelo. Mit 47 bekam sie ihren ersten Plattenvertrag und wurde in kürzester Zeit zum Weltstar. Sie gewann einen Grammy, spielte Welttourneen und schwang sich zur unangefochtenen Ikone von Kap Verde auf. Es ist unmöglich, Mindelo zu besuchen, ohne ihrem Konterfey an jeder zweiten Straßenecke zu begegnen. Ich mag die Musik sehr gerne. Hört doch mal rein, findet ihr auf jeder gängigen Musikplattform.
Unsere Zeit auf Kap Verde: Musik, Schildkröten, Musik, Natur und Musik
Die Bedeutung von Musik in Cap Verde wurde uns ab dem Moment klar, in dem wir unser Boot im Hafen verließen und uns aufmachten, um die Stadt zu erkunden! Überall tönte laute und leise Musik – aus Lautsprechern oder live mit Instrumenten und Gesang. Gleich am ersten Abend spielte ich in einer kleinen Bar spontan Musik und alle begannen, mit uns zu tanzen. Auch wenn ich nicht so viel Musik gemacht habe, wie auf den Kanaren, hatte ich die Gitarre doch einige Male in der Hand.
Schon am ersten Abend entstand so bei uns eine Regel, die sich mein Kumpel Arnaud ausgedacht hat, den ich hier wiedertraf: wann immer wir Musik hören, müssen wir ihr folgen und schauen wo sie herkommt. So haben wir schon viele tolle Orte entdeckt und gute Begegnungen gehabt.
Vermutlich war vor allem der erste Abend so intensiv, weil wir vorher 8 Tage auf dem Wasser waren und dann plötzlich in ein fremdes Land mit anderer Währung, anderem Essen und anderer Kultur geschmissen waren – ein wundervolles Gefühl! Allein anderes Geld in der Hand zu haben, eine SIM-Karte besorgen zu müssen und eine andere Sprache um sich herum zu hören, tat unfassbar gut! Das war für mich das erste Land außerhalb Europas auf dieser Reise und ich freue mich wahnsinnig auf die vielen Länder, die ich noch erkunden darf.
Ich genoss es deshalb sehr, hier einfach durch die Stadt zu ziehen, neue Bars und Restaurants kennenzulernen, an Straßenständen Sandwiches zu essen (Jakobs und mein Favorite war das EI-Sandwich für 80 Cent), Portugiesisch zu quatschen und überall Musik zu hören. Mindelo ist wirklich eine farbenfrohe, bunte, begeisternde Stadt, die zu Recht das kulturelle Zentrum des Landes ist. Das Wetter hier ist übrigens sehr konstant – tagsüber hatten wir ca. 25° und in der Nacht 20°. In der Sonne wurde es manchmal sehr warm, abends hatte ich durch den Wind ab und zu auch mal eine lange Hose an.
Nicht nur Arnaud traf ich hier wieder, den ich in Gibraltar kennenlernte und mit dem ich schon Lanzarote und Gran Canaria erkundet habe. Noch viele andere Boots-Tramper habe ich hier wiedergetroffen. Fast jeden Tag kommt wieder ein Boot mit jemandem an, den oder die ich aus Gibraltar oder Las Palmas kenne. Das ist echt eine tolle Community und es ist immer wieder richtig schön, die bekannten Gesichter wiederzutreffen! So haben Jakob und ich uns immer wieder mit anderen Trampern getroffen und immer eine gute Zeit gehabt. Natürlich verbrachten wir aber natürlich auch viel Zeit mit Familie Baici und insbesondere mit den Kids machten wir mehrere Ausflüge. Zwei Mal waren wir Schwimmen am Strand in Mindelo und haben viel geplantscht, gespielt und Sandburgen gebaut.
Ein absolutes Highlight war unser gemeinsamer Besuch im Süden von Sao Vicente, am Strand von Sao Pedro: dort lebt eine ganze Kolonie von Schildkröten. Mit einem Boot konnten wir rausfahren und mit den Schildkröten schwimmen. Teilweise waren bis zu 20 Schildkröten um uns herum und berührten uns vorsichtig. Die Tiere sind einfach unfassbar majestätisch und können wenn sie wollen richtig schnell schwimmen. Meistens wollen sie das aber nicht und schwimmen ganz gechillt durchs Wasser. Ein fantastischer Anblick, den ich nicht vergessen werde!
Ein weiteres Highlight für Jakob und mich war der Besuch auf der Nachbarinsel Santo Antao. Wie oben kurz angedeutet ist die Insel im Nordwesten sehr grün und genau dort machten wir eine lange Wanderung inklusive Übernachtung in Hängematte und Zelt im Wald. Was uns bei Nacht noch wie Erdnüsse aussah, die auf dem Boden lagen, entpuppte sich am nächsten Tag als Kaffebohnen – wir hatten in einem kleinen Kaffeewäldchen unser Nachtlager aufgeschlagen 🙂
Am nächsten Morgen schauten wir uns so fasziniert eine Bananenstaude an, dass uns die Familie, die nebenan wohnte, ansprach und zum Frühstück einlud. Generell sind die Menschen hier wahnsinnig offen, lieb und gastfreundlich! Auf Santo Antao ist beim Trampen kein Auto an uns vorbeigefahren, als wir den Daumen raushielten!!
Entlang der Küste ging es dann zurück nach Porto Novo im Osten der Insel und von dort aus nahmen wir die Fähre zurück nach Mindelo. Auf dem Weg lernten wir einen Guide aus Mindelo kennen, der gerade zum Heimaturlaub auf Santo Antao gewesen war: Elvis. Durch ihn konnte ich nochmal einiges über Kap Verde erfahren und es war spannend zu sehen, wie er lebt. Seine Mutter kocht sehr gut!
Ich bin wirklich froh, so viel Zeit gehabt zu haben, dieses Land kennenzulernen und die beiden Inseln zu erkunden. Nun freue ich mich aber auch, bald weiterzureisen und bin schon gespannt, von welchem Land ich euch als nächstes berichten werde!